piwik no script img

■ KommentarTat und Täter

Innensenator Jörg Schönbohm verurteilte gestern die Schüsse auf ein PDS-Mitglied in Marzahn als „feigen Mordanschlag“. Der Erklärung mangelt es aber am Wesentlichsten: der gebotenen Solidarität mit einer demokratischen Partei, der PDS nämlich, der das Attentat galt. Und der Erklärung fehlt ein Weiteres: über den eigenen Anteil an diesem Mordanschlag nachzudenken. Schließlich hat der Innensenator in den letzten Monaten nichts unversucht gelassen, die PDS als undemokratisch und staatsgefährdend auszugrenzen und zu brandmarken.

Nach den Auseinandersetzungen zwischen Linken und Rechtsextremisten am vergangenen Wochenende hat der Innensenator aus offenkundigem Parteikalkül die PDS für die Schlägerei verantwortlich gemacht, obwohl sich auch der Hellersdorfer PDS-Bürgermeister Klett von Randale-lüsternen Antifaschisten distanzierte. Schönbohm dagegen hat sich von den Rechtsextremisten nicht nur bei der angeblichen Absage ihrer Demo austricksen lassen, sondern danach auch nicht dafür gesorgt, daß die Polizei gegen den nicht angemeldeten Aufmarsch am Bahnhof und die gezeigten Nazi-Parolen vorging. Schönbohm hat zudem mit seiner Hetze gegenüber der PDS die Rechtsextremisten ermutigt; er hat Anteil als geistiger Brandstifter an dem Mordanschlag.

Was heißt es, wenn Schönbohm nun alle Bürger aufruft, mitzuhelfen, die „Gewaltspirale zu durchbrechen“? Eine Gewaltspirale gibt es nicht; nur einen Innensenator, der versagte, obwohl sein eigener Verfassungsschutz vor zehn Tagen vor der Gewaltbereitschaft jener Rechtsextremisten warnte. Darum geht es und nicht um Weimarer Verhältnisse, von denen die CDU jetzt raunt. Eine Verurteilung der Tat, die nicht von den Tätern spricht und die Opfer weiter verunglimpft, ist unglaubwürdig. Bürgermeister Klett hat zu einem Runden Tisch eingeladen, um über die Ereignisse beim Aufmarsch der „Jungen Nationaldemokraten“ zu sprechen. Innensenator Jörg Schönbohm hat bislang die Teilnahme abgelehnt. Gerd Nowakowski

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen