■ Kommentar: Berlin reißt die Latte
Der bayerische Finanzminister Erwin Huber verteilt Strafzettel: Wer dazu beiträgt, daß Europas vermeintlicher Musterknabe Deutschland an der Maastricht-Hürde scheitert, soll zahlen – und zwar allein. Für Berlin ist das eine Hiobsbotschaft. Denn Huber spielt nicht bloß mit den Muskeln. Die Bayern, Lordsiegelbewahrer des Föderalismus, haben keine Lust mehr, ständig für Länder wie Bremen oder das Saarland die Zeche zu zahlen. Weil ihnen das gewählte Verfahren zu langsam geht, drücken die Süddeutschen aufs Gas. Es wird also einen Strafgeldkatalog geben. Bei dem kann Berlin nur verlieren.
Denn die Stadt verfehlt sämtliche Parameter um Längen. Disputiert Bonn beispielsweise darüber, ob Waigel die Dreiprozenthürde wohl um 0,1 oder 0,2 Punkte überschreitet, würde Brüssel in Berlin reiche Beute machen: Das Defizit liegt fünf ganze Prozentpunkte über dem Erlaubten. Da nutzt es der Stadt auch nicht, daß eine klare finanzpolitische Wende zu vermelden ist. Die Ausgaben sinken zwar. Die Schulden steigen nicht mehr so rasant, wie es unter CDU-Finanzsenator Pieroth der Fall war.
Noch ist nicht klar, ob Deutschland die Maastricht-Hürde reißen wird. Wenn es dazu kommen sollte, bleibt noch offen, wieviel Strafgeld Berlin in Mark und Pfennig abführen muß. Aber jenseits der üblichen berlinischen Peanuts-Zählerei (100, 200 oder 500 Millionen Mark mehr Defizit?), wird nun allzu deutlich, wie sehr die Möchtegernmetropole in die Zwickmühle geraten ist. Allein schafft die Stadt das nicht, schon gar nicht die Menschen hier. Auf die anderen aber ist auch nicht mehr zu zählen. Denn Berlins Probleme bringen das föderale Grundprinzip der Republik aus dem Gleichgewicht. Christian Füller
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