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KommentarFesttagsstimmung

■ Heimliche Koalition feiert sich und ihre Zukunft

Tatsächlich, so scheint es, mit attraktivem Gepäck kommen die Berliner UnterhändlerInnen aus der alten Hauptstadt zurück. In den Koffern ansehnliche Mitbringsel von den Bonner rot-grünen Koalitionsverhandlungen – die Sicherstellung des bisher umstrittenen Länderfinanzausgleichs etwa, Projekte gegen die Arbeitslosigkeit und das Wissen um das große Interesse, das der neue sozialdemokratische Bundeskanzler Gerhard Schröder mitsamt seiner Regierung auf seine Hauptstadt richten wird. Das ist das eine.

Der Praxistest – das sollte vielleicht bei aller Euphorie nicht vergessen werden –, der Praxistest steht allerdings noch aus.

Doch davon lassen sich die Berliner Kinder der Bonner KoalitionärInnen ihre Hochstimmung nicht verderben. Denn noch anderes schwappt vom Rhein an die Spree, aus Bonn nach Berlin: eine merkwürdige Festtagsstimmung. Ein frohgemuter Blick in die nächste Zukunft. Und dies erklärt sich nicht allein aus den Punkten, die Berlin in der Bundespolitik machen konnte. Machen doch auch sonst die Berliner PolitikerInnen stets ein skeptisches Gesicht angesichts großer Bonner Versprechungen.

Nein, der Wechsel ist es, den die Roten und die Grünen unverheimlicht, unverschämt seit dieser Woche im Gesicht tragen. War bisher das Kurzziel Koalitionsverhandlung im Sinne aller, macht sich jetzt offenbar ein Gefühl breit: Wir haben es geschafft. Das nächste Ziel, die angepeilte rot-grüne Koalition in der Landesregierung, haben sie nun im Visier.

Frohgemut verkündeten SozialdemokratInnen gestern die Erfolge, die Rot-Grün für Berlin erringen konnte. Mit Eifer setzte sich die Fraktionsvorsitzende der Bündnisgrünen im Abgeordnetenhaus, Michaele Schreyer, an den PC, um die neuen Errungenschaften für Berlin systematisch zu erkunden. Erledigt, aber mit zufriedener Miene zählte die bündnisgrüne Berliner Unterhändlerin Renate Künast die Botschaften auf, die Bonn nach Berlin entsendet.

Was bisher trotz Regierungskrise, trotz zwar arbeitsamtfreundlichem, aber nicht von Liebe geprägtem Klima in der Großen Koalition, trotz eindeutiger Aussagen von den Bündnisgrünen wie von der SPD für eine rot-grüne Koalition im kommenden Jahr nicht greifbar wurde: Der Wille zum Wechsel der Wunschkoalitionäre, der wehte gestern als Hauch durch die rot-grünen Partei- und Fraktionshäuser dieser Stadt. Barbara Junge

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