Kommentar: Am Ziel
■ Endlich hat das Jüdische Museum die Freiheit, die es braucht
Das jahrelange Gezänk um die Eigenständigkeit des Jüdischen Museums hat sich gelohnt. Der Libeskindbau wird „selbständige Stiftung des öffentlichen Rechts“. Direktor Michael Blumenthal hat beim Ausstellungsprogramm freie Hand. Sein Personalkonzept entwirft er ohne Einfluß von außen, und in die Bücher guckt dem einstigen US-Finanzminister kaum einer mehr – schon gar nicht der Leiter des Stadtmuseums, Reiner Güntzer. Mit ihm wird sich Blumenthal höchstens die Garderobe im Keller des Hauses teilen. Und das geht in Ordnung.
Daß Güntzer zum wahren Verlierer des Museumsstreits geworden ist, mag diesen schmerzen. Allein, er zeigte keine Kooperation bei der Konstituierung eines Jüdischen Museums. Blumenthals Vorgänger Amnon Barzel – einem wahrlich unangenehmen Partner – ließ Güntzer keine Chance für ein gemeinsames Konzept. Auch die Interessen der Jüdischen Gemeinde blockte Güntzer bockig ab. Und daß er diese Strategie auch gegenüber Blumenthal praktizierte, hat den eitlen Museumsmann nur weiter in die Isolation getrieben. Sei's drum.
Viel wichtiger ist, daß der Gesetzentwurf des Senats mit alten Zöpfen aufräumt und das dringend reformbedürftige Stiftungsgesetz für das Museum aus dem Jahre 1994 ablösen will. Darüber hinaus, und dies ist entscheidend, bedeutet die Einrichtung der Stiftung für das Jüdische Museum, daß Blumenthal mit seinem Konzept für das Haus nun endlich arbeiten kann, wie er das möchte.
Und das ist gut so. Das Jüdische Museum im Libeskindbau wird mit Blumenthal zu keinem bloßen Holocaust-Museum reduziert, für das sich zahlreiche Mitglieder der Jüdischen Gemeinde stark gemacht haben. Es hat die Chance, ein offenes Haus zu werden, das jüdisches Leben auch jenseits des Nazi-Terrors beleuchtet. Seine Aufgabe, „jüdisches Leben in Berlin und Deutschland sowie die Wechselbeziehungen zwischen jüdischer und nichtjüdischer Kultur zu erforschen und darzustellen“, ist ein hoher Anspruch, dessen Sprengwirkung sich Blumenthal sehr wohl bewußt ist. Andere jüdische Museen in Wien, Prag oder Paris haben dies mit Erfolg vorgemacht.
Daß sich der Senat jetzt brüstet, die Errichtung des Museums liege „im gesamtstaatlichen Interesse“, weshalb er „eine regelmäßige finanzielle Förderung durch den Bund“ erwarte – das verwundert am Ende doch. Das hätte der Senat, mit einem stärkeren Engagement, schon früher haben können. Rolf Lautenschläger
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