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KommentarParadoxe Lage

■ Die Grünen sind trotz Wahlniederlage nun in Bonn stärker

Die Europawahl hat das Machtgefüge innerhalb der Bonner Regierungskoalition verschoben und den Spielraum des Bundeskanzlers eng werden lassen. Dahin ist das Image des strahlenden Siegers, der nur aufpassen muß, daß neben seinem Glanz die anderen nicht allzusehr verblassen. Gerhard Schröder bleibt keine große Auswahl mehr bei der Suche nach Bündnispartnern. Er muß mit denen vorlieb nehmen, die er hat. Dem Koch droht die Degradierung zum Aushilfskellner.

Es gehört zu den Eigentümlichkeiten von Wahlen, daß ihre Resultate auch Verlierer stärken können. Die Bündnisgrünen hatten bereits bei den Bundestagswahlen ein mageres Ergebnis erzielt und dennoch erstmals eine Beteiligung an der Macht in Bonn errungen. Jetzt mußten sie schon froh sein, nicht an der Fünfprozenthürde zu scheitern. In der Koalition haben sie dennoch an Gewicht gewonnen.

Von jedem Flirt mit der FDP ist Gerhard Schröder künftig abzuraten. Diese Partei ist zwar schon häufig beerdigt worden und hat sich dann doch erholt, aber auch fälschlich totgesagte Menschen sterben irgendwann. Mögen die Grünen noch so sehr schwächeln – so schlecht wie um die FDP steht es um sie nicht. Die Union, einer Großen Koalition seit jeher abgeneigt, hätte für ein derartiges Bündnis überhaupt keinen Anlaß mehr. Wenn eine Regierungskoalition bei einer Wahl, die als Stimmungstest gilt, gerade 37,1 Prozent der Stimmen bekommt, dann ist für die Opposition eine eigene Mehrheit greifbar nah.

Jetzt sind es also nicht mehr die Grünen, die bei Gefahr des Untergangs auf Gedeih und Verderb an dieser Koalition festhalten müssen. Im Gegenteil: Mit ihren wirtschaftsliberalen Konzepten können sie seit ihrem außenpolitischen Kurswechsel mittelfristig auch für die Union ein attraktiverer Partner sein als die FDP. Schröder wird künftig mehr Rücksicht auf die Grünen nehmen müssen.

Eine veränderte Arithmetik bestimmt allerdings noch keinen politischen Kurs. „Wir haben verstanden“, hat Gerhard Schröder zum Ausgang der Europawahlen gesagt. Damit hat er wohl gemeint, daß er nun die eigene Linie durchziehen will, die er kürzlich gemeinsam mit Tony Blair formuliert hat. Ob der Plural angemessen war? Das Ergebnis dürfte sehr unterschiedlich interpretiert werden. Ein Richtungsstreit läßt sich nicht mit einem Machtwort beenden. Bettina Gaus

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