Kommentar: SPD-Parteitag
■ Die Angstnummer
Die Sozialdemokraten haben sich mehrheitlich wieder einmal als „Lampenputzer“ erwiesen. Wie in Erich Mühsams Gedicht über die mutlosen Genossen folgte dem lauten Protest gegen die Zahnlosigkeit der eigenen Politik nicht der Aufstand gegen die Funktionäre und der Schritt in die Opposition. Neues war auf dem Parteitag sowieso nicht zu hören, zugehört hat man sich kaum. Also plädierte die Basis für die Billiglösung: den Weg in Richtung große Koalition. Sicher, der ist bequemer, macht weniger innerparteilichen Streß und mitregieren sowie mitverdienen wie bisher kann man allemal, glauben jedenfalls die meisten SPDler.
Doch die gefeierte Entscheidung, Koalitionsverhandlungen mit der CDU aufzunehmen, ist ein Pyrrhussieg. Nach dem Beschluss ist die Partei tiefer gespalten als zuvor. Orientierungslos bleibt sie dazu. Damit gerät jede Bewegung der Partei zur Angstnummer in eigener Sache. Frei nach vorn denken ist so unmöglich, ein Koalitionsvertrag mit starken inhaltlichen Eckpfeilern sozialdemokratischer Programmatik ausgeschlossen. Die CDU darf sich freuen.
Die SPD bleibt weiter paralysiert. Nicht geringe Schuld daran trägt sicher der Landesvorstand, der nach der Wahlniederlage im Oktober die Neubestimmung und den wichtigen inhaltlichen Diskurs nicht vorbereitet, sondern verschlafen hat. Dass nun Einzelspieler mit Sparvorschlägen nach vorn preschen, verdeutlicht die Konzeptionslosigkeit nur mehr. Die SPD in ihrer Gesamtheit geht vor die Hunde. Darum muss sie sich nach links bewegen. Wagt sie sich nicht weiter vor, gewinnt sie dort nichts, und rechts verliert sie sowieso. Rolf Lautenschläger
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