Kommentar: Schäuble muss gehen ■ Der CDU-Chef ist nicht zu retten – auch nicht von Kohl
Bleibt Schäuble? Geht er? Oder wird der Parteichef gestürzt? Kommt dann Biedenkopf? Rüttgers? Schavan? Lothar Matthäus? Wer wird Fraktionschef? Merz? Bleibt Merkel Generalsekretärin? Hält die CDU das alles aus? Verschwindet vielleicht auch sie? Wird Blüm dann Sozialexperte der SPD? Geht das deutsche Bürgertum ins Exil? Die Krise der CDU produziert Fragen über Fragen, und keine ist so abwegig, dass man sie nicht stellen dürfte. Heiner Geißler hat das Durcheinander jetzt um eine weitere interessante Frage bereichert: Kann Helmut Kohl Wolfgang Schäuble retten?
Damit lenkt Geißler die Aufmerksamkeit der Partei auf den Hauptschuldigen der ganzen Affäre: auf Kohl. Das ist nicht das Verkehrteste, droht doch die CDU langsam den Überblick zu verlieren, wer ihr die ganze Suppe eingebrockt hat, die sie jetzt auslöffeln muss. Sie erweckt bisweilen den Eindruck, der Finanzskandal sei eine Geheimoperation von zwei Abteilungsleitern im Konrad-Adenauer-Haus gewesen. Geißler irrt jedoch, wenn er glaubt, Kohl könne Schäuble retten. Der Ex-Kanzler könnte so viele Namen anonymer Spender nennen, wie er will – an der ausweglosen Lage des CDU-Chefs würde das nichts mehr ändern. Im Gegenteil, ein Geständnis Helmut Kohls würde Schäuble sehr wahrscheinlich unter sich begraben. Es spricht ja viel dafür, dass Kohl deswegen nicht auspackt, weil er nach der Aufklärung einen noch viel größeren Skandal befürchtet als den jetzigen.
Schäuble ist für sein Dilemma außerdem selbst verantwortlich. Er steht als Parteivorsitzender ja nicht zur Disposition, weil er fast zwei Jahrzehnte lang eng mit seinem Ziehvater und Freund Helmut Kohl verbunden war. Schäuble hat einen schweren Fehler gemacht, als er verschwieg, vor Jahren selbst eine große Spende entgegengenommen zu haben. Das hat ihn jeder Glaubwürdigkeit beraubt. Seitdem verliert der Parteichef Tag für Tag mehr an Autorität und Charisma. Die CDU, das ist das Verheerende an seinem Fehler, hat er damit in einen Schockzustand versetzt, aus dem er sie nicht mehr befreien kann.
Wenn Wolfgang Schäuble noch genügend Distanz zu sich selbst hätte, könnte er einen ebenso faszinierenden wie tragischen Vorgang beobachten: Ein intelligenter Parteivorsitzender scheitert an sich selbst und merkt es nicht einmal. Er ist nicht mehr zu retten. Jens König
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen