Kommentar: Im Spendenchaos ■ CDU-Untersuchungsausschuss sollte sich beschränken
Weniger ist mehr. Dieses Motto für all jene, die Sammelwut für wichtiger halten als den Blick aufs Wesentliche, gilt auch für den Untersuchungsausschuss, der seit gestern Belege für die Käuflichkeit deutscher Politik aufspürt. Der Ausschuss des Bundestages hat jetzt schon ein Mega-Programm vor sich: die Umstrukturierung des milliardenschweren Industriekomplexes Leuna etwa. Oder das Panzergeschäft mit Saudi-Arabien, bei dem dreistellige Millionensummen an Begleitgeldern anfielen. Und wie kam eigentlich die Veräußerung von Alpha-Jets zu Stande? Das Erkenntnisinteresse sollte sich auf diese Komplexe konzentrieren. Eine Ausweitung auf das innere Finanzgebaren der CDU, wie es nicht nur die FDP fordert, wäre interessant – brächte aber die Gefahr mit sich, dass die Ermittler im Sumpf innerparteilicher Finanzströme versinken.
Über die dubiose Buchhaltung der Christenunion wissen wir zwar immer noch viel zu wenig. Aber das reicht Bürgern und konkurrierenden Parteien, um eine Generalrevision der Partei beanspruchen zu können. Die CDU muss vieles an ihren inneren Strukturen und Maßstäben ändern, wenn sie dem D in ihrem Namenszug wieder gerecht werden will. Sie war von der Spitze her nicht mehr demokratisch. Der Vorsitzende konnte, ohne Nachfragen fürchten zu müssen, mit Geldboten Parteipolitik machen. Auch die absurde Trennung der Verantwortlichkeit für die Einnahmen auf der einen und Ausgaben auf der anderen Seite ist erkannt. Dennoch darf dies alles den Untersuchungsausschuss nur insofern interessieren, als es Mittel war.
Der Fokus des Ausschusses muss sich aber auf den Zweck richten, den anonyme Gönner mit ihren Spenden verfolgten. Was die Kommissare des Parlaments herausbekommen sollen, geht weit über das bisher Bekannte hinaus. Die neue Dimension ist, dass die Industrie Mitglieder des Kabinetts Kohl als Berater gekauft hat. Kaum mehr abzustreiten ist wohl auch die chronische Pflege der CDU-Pflanze – die Spende als Dauerauftrag. Die wichtigste Frage aber ist die, ob Lobbyisten mit gezielten Finanz-Injektionen Kabinett und Fraktion spritzen konnten – um Panzer zu liefern, Häuser zu kaufen oder an Milliardensubventionen heranzukommen. Das ist wichtiger als Kohls Handgeld für rückgratfreie CDU-Provinzfürsten.
Christian Füller
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