Kommentar: Kuck mal, wer da spricht ■ Jetzt redet Kohl wieder – aber er sagt nichts
Plötzlich war der Dicke wieder auf dem Schirm. In den letzten Wochen hatten wir ihn nur flüchtig betrachten können, immer schnellen Schrittes, mürrisch und nie bereit, auf Fragen zu antworten. Deshalb kam die erneute Kohlschwemme im öffentlich-rechtlichen Fernsehen auch ziemlich plötzlich und unerwartet.
Nicht nur hat der ruhende Ehrenvorsitzende mit seinen inflationären Rampenlichtauftritten der CDU erneut seine Verachtung demonstriert – schließlich war er eigentlich zur CDU-Präsidiumssitzung geladen gewesen und dort dreist nicht erschienen. Zudem gelang es dem offenbar vollkommen Abgehobenen auch, sein immer noch weit verbreitetes (Eigen-) Bild vom großen Staatsmann in aller Öffentlichkeit zu demontieren.
Hatte sich Helmut Kohl durch seine beharrliche Zurückhaltung, sein andauerndes Schweigen zwar über Recht und Gesetz gestellt, aber immerhin noch die Anmutung des steinernen, unverrückbaren Europa- und Einheitsdenkmals verbreitet, wirkte er in seinen Wochenendverlautbarungen geradezu schwatzhaft und hohl. Gut, er hat sich endlich der Öffentlichkeit gestellt und geredet – aber gesagt hat er überhaupt gar nichts.
Nichts von Bedeutung jedenfalls. Oder mag sich wirklich noch jemand anhören, dass der sich ach so wichtig nehmende Staatsmann vor lauter Weltpolitik doch gar keine Zeit haben konnte für die Niederungen der Finanzierung seiner ureigenen Partei? Hätte er eben nicht gleichzeitig Bundeskanzler und Parteivorsitzender sein sollen, wenn ihn diese Ämter in Kombination offenbar überfordert haben. Mag ihm wirklich noch jemand glauben, wenn er sich echauffiert, er wäre „senkrecht an die Decke gegangen“ in Kenntnis gesetzt von der Existenz der Liechtensteiner Stiftung „Norfolk“ – aber leider habe es ihm nie jemand „ernsthaft gesagt“, dass es die gibt? „Ernsthaft gesagt“ – an dieser Formulierung zeigt sich beispielhaft das unwürdige Sichwinden Helmut Kohls. Sollte sich herausstellen, er habe doch davon gewusst, will er sich dann auf einen Scherz herausreden?
Helmut Kohl betätigt sich nicht mehr nur – allein gegen die CDU – als Abrissbirne seiner Partei. Er beendet aktiv seine Existenz als Respektsperson. Ob der eitle Alte das in seiner Hybris überhaupt noch selbst bemerkt oder bemerken kann, ist allerdings stark zu bezweifeln.
Stefan Kuzmany
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