Kommentar: Bangemachen gilt nicht
■ Warum es nach der Wahl in Hamburg richtig lebendig werden dürfte
Irgendwann musste es ja mal kommen. Irgendwann endet jede Serie. Dass es die Roten so spät und die Grünen so früh erwischen würde, konnte niemand ahnen. So schlecht hatten sie ja gar nicht regiert.
Wer weint da in die Kaffeetasse? Gewiss, ein Trio infernale wird Hamburg regieren. CDU und Schill werden sich um den größten Polizeiknüppel streiten; die FDP macht dazu den Vorgartenzwerg. Einflussreiche Claqueure werden eine neue Epoche beschwören. Doch die WählerInnen, vor allem die erwartungsvollen Schill-Fans, werden erleben, dass die Welt nicht so heil wird, wie die Sprücheklopfer es versprachen. Der Boden unter dem Block des wildgewordenen Bürgertums wird bröckeln.
Der Wahlsieg dieser Allianz der Angstmacher muss Gegenkräfte freisetzen – schließlich sind wir hier nicht in Hintertupfing. Viele, die bisher schweigen und sich arrangieren mussten, um dem rot-grünen Senat nicht zu schaden, können nun laut und deutlich Nein sagen, Wahrheiten aussprechen – und sie können mehr fordern als nur ein kleineres Übel.
Gewerkschaften und Initiativen, KünstlerInne, JournalistInnen und Kirchenleute werden sich einmischen, wenn der Schill-Senat durch soziale Schutzzonen und kulturelle Freiräume trampelt. Netzwerke der Humanität müssen her, über Parteigrenzen hinweg; echte Alternativen und kreative Überzeugungsarbeit vor Ort sind nötig, um der Spaltung der Stadt in Gut und Böse zu begegnen.
Es wird lebendig werden in der neuen Hauptstadt der Populisten. Bangemachen gilt nicht.
Günter Beling
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