Kommentar zur Touristen-Diskussion: Eine zutiefst konservative Haltung

Kreuzberger stöhnen über zu viele Touristen in ihrem Kiez und zu viel Spanisch in ihren Kneipen. Spießiger geht's gar nicht.

Kreuzberg ist ein piefiger Vorort von Osnabrück. Das könnte man jedenfalls meinen, wenn man die Debatte über Touristen im Wrangelkiez verfolgt, die kommende Woche in die nächste Runde geht. Eben jene, die sich sonst so gerne als weltoffenen und tolerant gerieren, beschweren sich jetzt über zu viel Englisch und Spanisch in den Cafés. Sie wollen sich nicht fotografieren lassen. Und sie haben große Angst davor, dass die Besucher den Kiez verändern könnten. Das ist eine zutiefst konservative Haltung. Und letztlich ganz furchtbar spießig.

Sicher, man kann verstehen, dass niemand in einem Haus mit lauter Ferienwohnungen leben will, mit ständig wechselnden Nachbarn und Lärm. Tatsächlich sind diese Ferienwohnungen eine von vielen Ursachen der steigenden Mieten, die auch zur Verdrängung Alteingesessener führen können. Insofern ist es richtig, über ein neues Verbot von zweckentfremdeten Wohnraum nachzudenken.

Doch der Protest richtet sich längst nicht nur gegen diese Kurzzeit-Unterkünfte, sondern gegen die Touristen selbst. Sie sind nicht erwünscht. Dabei macht auch ihre Anwesenheit Berlin erst hip. Und dabei reisen all jene, die sich jetzt über die Gäste aufregen, in anderen Städten genau so wie die Kreuzberg-Touris: Sie suchen nach alternativen Stadtteilen, um sich dort unter die Leute zu mischen.

Die Grünen haben sich mit einer Veranstaltung an die Spitze der Bewegung gesetzt. Sie haben die Ressentiments aufgegriffen und öffentlich gemacht. Einen Gefallen tun sie sich damit nicht. Denn ihr Engagement bestätigt nur das Bild, das manch einer inzwischen von den Ex-Alternativen hat: Die Grünen selbst sind konservativ geworden.

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