Kommentar zur Tarifeinheit: Grundrechte? Zu vernachlässigen
Die Große Koalition in spe will das Streikrecht und die Koalitionsfreiheit einschränken. Und ein Teil der DGB-Gewerkschaften macht mit.
C hapeau. Eine der ersten Taten der Großen Koalition soll darin bestehen, das Streikrecht und das grundgesetzlich verbriefte Recht auf Koalitionsfreiheit einzuschränken. Wie die neuerdings wieder vermehrt auf Arbeitnehmerrechte bedachte Sozialdemokratie ihren Anhängern das erklären wird, darauf darf man gespannt sein.
Ein Gesetz zur Tarifeinheit ist ohne Zwang und Einschränkung von Grundrechten nicht zu haben. Wenn man will, dass künftig nur noch die mitgliederstärkere Gewerkschaft im Betrieb Tarifverträge abschließen darf, muss man der anderen Gewerkschaft Rechte entziehen: das Recht, Tarifverträge abzuschließen, indem man ihre Verträge nicht mehr anerkennt, oder das Recht, für solche Tarifverträge zu streiken.
Damit ist klar: Es steht weitaus mehr auf dem Spiel als nur die Existenz von ein paar Berufsgewerkschaften, zu denen sich Menschen aus freien Stücken und mit gutem Recht – Stichwort Koalitionsfreiheit – zusammengeschlossen haben.
Die DGB-Gewerkschaften geben angesichts dessen ein trauriges Bild ab. Wir sind für die Tarifeinheit – aber gegen eine Einschränkung des Streikrechts, heißt es. Dass das eine ohne das andere nicht zu haben ist, wird verdrängt. Das ist umso tragischer, als etliche der Großen im DGB – die IG Metall oder die IG Bergbau, Chemie, Energie – sich mit Berufsgewerkschaften gar nicht auseinandersetzen müssen.
Aber man macht mit, weil man untereinander solidarisch sein will. Solidarisch mit wem? Ver.di kämpft zwar mit dem Marburger Bund oder Cockpit um Einfluss und Mitglieder, aber die Organisation hat sich trotzdem gegen die Tarifeinheit gestellt – nach einer lehrreichen internen Debatte, welche Folgen so ein Gesetz haben wird. Die anderen Gewerkschaften und die SPD müssen das endlich beherzigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies