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Kommentar zur AutobahnprivatisierungEin Leckerli für die Wirtschaft

Kommentar von Svenja Bergt

Autofahrer werden die Privatisierung der Autobahn nicht bezahlen – die Allgemeinheit springt ein. Zukunftsfähige Verkehrskonzepte sehen anders aus.

Ob privat oder öffentlich: Am besten sind Autobahnen ohne Verkehr Foto: dpa

D er Spruch mit den Melkkühen ist leider noch nicht ausgestorben. Am Wochenende war es der IG-Bau-Vize, der warnte, mit einer Teilprivatisierung des Autobahnnetzes mache man Autopendler zu Melkkühen der Nation. Mehr „Freie Fahrt für freie Bürger“-Rhetorik war in den 80ern auch nicht.

Es geht nicht nur um Autobahnen. Die sind nur eines der Objekte, die man in Sachen Infrastruktur zu Geld machen kann. In den Hintergrund rückt die Frage: Welche Güter und Dienstleistungen gehören zu denen, um die sich der Staat kümmern soll? Wasser oder Strom? Straße oder Schiene? Telefon oder Internet? Müllabfuhr oder Schneeräumdienst?

Die Beantwortung ist nicht nur abhängig von politischen Trends – gerade ist Privatisierung oder eher Rekommunalisierung angesagt –, sondern sie ist auch ein Spiegel der Gesellschaft. Denn neben der Frage, was jeder braucht, ist es eine Diskussion darüber, was jeder brauchen sollte. Dass die Bundesregierung etwa beim Breitbandausbau so zögerlich vorgeht, zeigt, dass sie die gesellschaftliche Bedeutung, das Potenzial einer schnellen Internetanbindung entweder nicht verstanden hat oder es ihr egal ist.

Das Problem beim Thema Autobahn ist: In der Debatte über eine Teilprivatisierung werden zwei Ebenen vermischt. Die eine ist das Leckerli, das die Bundesregierung der Banken- und Versicherungswirtschaft hinhalten möchte. Eine sichere Anlage in Zeiten niedriger Zinsen, das wäre doch was, oder? Ja, das wäre tatsächlich etwas, nämlich eine unverfroren industriefreundliche Entscheidung.

Doch über die zweite Ebene, ganz ohne Privatisierung, lohnt es sich tatsächlich kurz nachzudenken. Nämlich: Sind Autobahnen angesichts von Klimawandel, Feinstaub und Abgasmanipulationen eine Infrastruktur, die jeder braucht, brauchen sollte? Sollten alle dafür zahlen? Oder eher die, die sie nutzen? Zumindest anteilig?

Gerade mit Blick auf selbst fahrende Autos lassen sich ganz neue Mobilitätssysteme denken – mit Zubringerfahrzeugen zum Beispiel, die Langstrecke übernimmt dann die Schiene. Eine Debatte über die Zukunft der Mobilität ganz ohne Technikangst und „My car is my castle“-Haltung, ohne Vielfahrerbevorzugung und Kotaus vor der Industrie? Unrealistisch, leider. Denn bei allen Befürchtungen: Zu Melkkühen sind die Autofahrer hierzulande noch nie geworden.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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9 Kommentare

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  • Es geht doch nicht um den Verkauf von Bundeseigentum (Autobahnflächen) an Privatpersonen, sondern um die Zentralisierung der Planung, des Baus und des Betriebs und der Instandhaltung insbesondere von neuen (11 noch zu bauenden) Streckenabschnitten. Diese Aufgaben werden gem.GG derzeit von den teilweise völlig überlasteten (bes. personell und finanziell unterausgestatteten) Landesbehörden wahrgenommen. Bei der Bahn gibt es solche Bundes-Gesellschaften (als AGs oder GmbH) schon lange. Die eigentlich interessanten Fragen beziehen sich doch auf die Ausgestaltung der Konzessionsverträge und der Art der PPP-Verträge (A oder V-oder F Modell; Amortisationsdauer, Bezahlung durch Bund oder durch hoheitliche Maut, Verfügbarkeitserwartungen) sowie der Übertragung der Landesaufgaben (auch der DEGES ?) an die neue Bundesgesellschaft (die ja mehrheitlich im Bundeseigentum bleiben soll). Außerdem: Gewerkschaften wollen Autobahnmeistereien im status quo halten, Länder befürchten, dass bei EU weiten Ausschreibungen regionale Bauunternehmer nicht mehr zum Zuge kämen. Dass PPP Strecken je nach Privatkapitalanteil teuerer werden ist klar, nur merkt das der einzelne Autofahrer über die Konzessionsdauer kaum. Dafür sollten aber die Qualität und Verfügbarkeit viel besser werden, sonst drohen Vertragsstrafen für die Betreiber. Außerdem: höhere Autobahnkosten (falls es zur direkten Maut käme und nicht über die KfZ/Mineralölsteuer liefe) würden dann endlich die Bahn etwas attraktiver machen insbesondere wenn die eingesparten staatlichen Autobahngelder in die Modernisierung der Bahn flössen. Was nicht zuletzt den Klimaschutzzielen zu gute käme.

    Was z.B. Österreich und Frankreich seit Jahrzehnten können, sollte Deutschland doch auch mal hinkriegen.

  • wie bei der privatisierung der bahn, deren gang an die börse durch öffentlichen protest bislang verhindert werden konnte, verspritzt hier der apologet der "marktkonformen demokratie" dr. wolfgang schäuble wieder das gift aus seiner neoliberalen giftküche, um die ordoliberalen prinzipien der freiburger schule und seines lehrers walter eucken in einem neuen anfall "öffentlich privater partnerschaft" anzurichten, mit denen das tafelsilber verscherbelt werden soll, das wir im staatsvermögen als steuerzahler angelegt haben - ttip tot, ceta unter vorbehalt, tisa aussichtlos: auf der suche nach bleibenden erfolgen suchen unsere volksvertreter nach neuen jagdgründen, ihren "eliten" in der finanz- und wirtschaftswelt ihre aufwartung zu machen: protest ist angesagt. nichts fürchtet der politiker mehr als den wähler !

  • Sollten die Autobahnen privatisiert werden, wird der Steuerzahler einer derjenige sein, der das Ganze finanziert. Es gibt bereits einige Teilstücke der Autobahnen, bin nicht sicher aber es ist ein Teil der A1 Höhe Osnabrück. Dort sind die Instandhaltungsdienste ebenfalls in private Hände gelegt worden. Da diese ÖPP Verträge von der Bundesregierung im Geheimen verhandelt und abgeschlossen werden, hat die Öffentlichkeit darauf keinen Zugriff mehr. Auf der A1 ist jedenfalls soviel schiefgelaufen, das der Steuerzahler riesige Summen schon zur Fertigstellung zuschießen musste. Auch zur Instandhaltung muss der Steuerzahler Gelder zuschießen, da der Betreiber sich dazu nicht im Stande sieht. Leider bin ich nicht mehr auf dem Laufenden, wie die Geschichte jetzt läuft, da man in den Medien dazu nichts mehr hört oder liest.

    Wie die Kosten für den Autofahrer sich entwickeln werden sieht man ja bei den Raststätten, wo durch den englischen Besitzer die einzelnen Pächter der Reihe nach in die Insolvenz gehen, da die Franchise Kosten derart hoch sind, das kein Gewinn mehr abfällt.

    Wenn es zu der Zeit dann eine Maut gibt, obliegt die Festsetzung dieser Summe nicht mehr dem Bund, sondern der Privatbesitzer der AB. Also kann man davon ausgehen, das die Politik sich nicht mehr an das Versprechen halten wird, dass Deutsche Autofahrer ihre Maut durch die KFZ Steuer ersetzt bekommt!!!

  • „Autofahrer werden die Privatisierung der Autobahn nicht bezahlen – die Allgemeinheit springt ein.“

     

    Merkwürdige Logik! Vor vielen, vielen Jahren konnte man damit noch Neidgefühle bei der „Allgemeinheit“ entfachen, als Autos noch Luxusartikel für „die da oben“ waren.

     

    Inzwischen ist das Auto Gebrauchsgegenstand für die Allgemeinheit, und Herrn/Frau Mustermann kann’s egal sein, ob er/sie das Geld als „Allgemeinheit“ oder als „Autofahrer/in“ bezahlt!

  • @ SFISCHER - hat leider mehr als recht.

    Wer so freihändig - ohne die notwendige!

    (Verfassungs)rechtliche Einordnung agiert -

    Aus welchen fachlich-sachlichen Gründen auch immer - Steht schnell in der Gefahr - sorry -

    Aber einen vom Pferd zu erzählen. Punkt.

     

    Also zunächst den ollen Cato – ceterum censeo –

    Wie schon mal zu - "Private Straßenfinanzierung

    Rendite ohne Risiko" by Malte Kreutzfeldt

    ausgeführt -

     

    Die Finanzseite ist die eine schlechte Seite der Medaille —

    Weit problematischer aber ist, welcher Gerichtsbarkeit Diese bisher nicht näher rechtlich definierten -Bundesfernstraßengesellschaft(en) unterfallen werden.

    Das hängt von deren rechtlichen Konstruktion ab.

    Bisher unterfällt der Bau von Autobahnen -uneingeschränkt der Gerichtsbarkeit der Verwaltungsgerichte – mit der Konsequenz, daß alle tatsächlichen wie rechtlichen Akte gemäß den Verwaltungsprozessualen Vorgaben uneingeschränkt der sog. Offizialmaxime, dem Untersuchungsgrundsatz der Verwaltungsgerichte unterliegen.

     

    Danach sind die staatlichen Behörden zur Herausgabe jeglicher Unterlagen auf Aufforderung der Gerichte verpflichtet.

    Das wäre im Fall – wofür viel spricht – (ganz oder anteilig) Privatrechtlich konstruierter Gesellschaften (wie anders) Komplett anders – weil das Instrument der

    Offizialmaxime - in den Prozessen vor den

    Zivilgerichten wg der rechtlichen Art dieser

    Gerichte – geschaffen für Rechtsstreite unter Privatrechtsträgern – gerade nicht zu Verfügung steht;

    Es gilt dann die Parteimaxime.

    Dies hat schon in der Vergangenheit zu mehr als durchsichtigen Irritationen geführt.

     

    ff - aber ja!

    • @Lowandorder:

      ff

       

      Als nämlich der Verdacht aufkam – daß der Verkehrsminister Günther Krause sich bei der Vergabe der Autobahnraststätten habe bestechen lassen – stellte sich sein Ministerium kackfrech auf den Standpunkt – diese Vergabe sei Privatrecht – die Verwaltungsgerichte daher nicht zuständig!

      Nachdem sich das homerische Gelächter in den Gerichtsfluren gelegt hatte und die angeforderten Akten rausgerückt waren – der Fall plan as plan can be war – Ja da aber Hallo!

      Ging der feine Herr. So geht das – noch!

      Bei einer (auch nur teilweisen) privatrechlichen

      Konstruktion - wäre das Ministerium mit seiner Weigerung durchgekommen - der saubere Herr

      Im Amt geblieben.

      Na Glückwunsch - wer solches favorisiert!

       

      Aktuell können vergleichbare Auswirkungen bei dem Verhalten des Senats der Stadt Hamburg zum Hafenschlick der Elbe beobachtet werde.

      Der Senat verweigert selbst Abgeordneten die erbetenen Auskünfte mit der Begründung -

      Dadurch würden Interessen privater Gesellschaften/Firmen &

      Die "Interessen Hamburgs" berührt.

      So geht das.

      Insgesamt gilt also: Na Mahlzeit!

       

      vgl auch - "Straßenbau in Deutschland

      Noch ein Genosse der Bosse – by Kai Schlieter -

      http://www.taz.de/Pr...ierung/!5020558/

      & aktuell ders. http://www.taz.de/Privatisierung-der-Autobahnen/!5353766/

  • 3G
    32795 (Profil gelöscht)

    Die Autorin vermischt da auch zwei Ebenen. Wenn da so tolle Renditen möglich sind, wieso schenkt man die dann der Wirtschaft. Der Staat könnte die Einnahmen auch selbst erzielen und damit neue Verkehrskonzepte finanzieren.

     

    Übrigens, nur um die Freude der Autobahn-Basher etwas zu dämpfen wenn man die Autobahnen privatisiert, dann wird damit das "Modell Autobahn" auf Jahrzehnte hin festgeschrieben. Der Staat kann mit den Autobahnen dann nicht mehr nach Gutdünken verfahren.

     

    Auch das Argument der Kostenbeteiligung der Autofahrer ist so nicht ganz richtig. Jede Fahrt auf det Autobahn bringt nicht unerhebliche Steuereinnahmen mit sich (Kraftstoff). Die Maut (Folge der Privatisierung) belastet abet auch die eMobilität. Auch hier zeigt sich der Nachteil der Privatisierung, die fonanzielle Förderung der eMobilität zB durch Mautvergünstigungen ist dann nicht mehr ohne Weiteres möglich.

     

    Es gibt sehr viele Gründe die gegen eine Privatisierung sprechen. Einer davon ist, dass man durch die Privatisierung eben jene Progression die die Autorin ersehnt nur unnötig erschwert.

  • Schonn - "… das Leckerli, das die Bundesregierung der Banken- und Versicherungswirtschaft hinhalten möchte. Eine sichere Anlage in Zeiten niedriger Zinsen, das wäre doch was, oder? Ja, das wäre tatsächlich etwas, nämlich eine unverfroren industriefreundliche Entscheidung.…"

     

    Stimmt - das "wäre" hab ich zwar nicht verstanden - nö - nich -

    Aber sonst - alles konsequent - für Die Anschlußverwendung von

    Siggi Plopp SPezialDemokrat v. ÖPP.

    Vom Zonenrandförderer als Dozent für Erwachsenenbildung - über Hartz IV-Hilfs-Architekt - zum duften -

    Anlageberater der Industrie ~>

    Mr. v. Reichtum-muß-sich-wieder-lohnen-Gabriel! Aber Hallo!

    Wie geil ist das denn!

     

    Da ist doch der nächste - ja ja - doch -

    (Von Gerd lernen heißt Kasse lernen!)

    Selbstgezimmerte Chefsessel als Leckerli am Ende der Durststrecke als WiMi - aber sowas von at hand! - wa!

    Man gönnt sich ja sonst nichts! &

    Der - Anti-HartzIV-SPD-Slogan seit GazPromGerd&Steini I. - "Sei bei uns!"

    "Eure Armut kotzt uns an - ihr Hartz4rer! - denn - ja genau ihr Nasen

    "Wer nicht arbeitet - soll auch nicht essen!" is voll auf MünteKante - wa!

    kurz - Siggi I. Deutsche Bank Chef!

    Darunter läuft ab jetzt nix mehr!

    Das walte Draghis Mario!

     

    (ps - Aber opjepaaß - Siggi -

    "In Deutschland wird man für Leistung vor Gericht gezerrt!"

    Mr. 25% V-Ackermännchen!)

    Normal!

  • Es geht nicht nur um die Autobahn. An der Autobahn wird aber deutlich was das politische Ziel ist. Die Privatisierung öffentlicher Güter.

    Sukzessive wird hier versucht umzusetzen wozu sich die Mitgliedsataten in den EU Verträgen verpflichtet haben: Auf eine "offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb" (Art 119 AEUV).

    Im Unterschied zum Grundgesetz. Das ist wirtschaftpolitisch neutral. Welche Wirtschaftsform gewählt wir unterliegt der demokratischen Auseinandersetzung. Es ist also auch eine Planwirtschaft denkbar.

    Beispiele wie der Privatisierungsversuch der Autobahn oder andere öffentlicher Güter, sollten medial genutzt werden um die wirtschaftpolitischen und damit auch sozialpolitischen Implikationen des Lissaboner Vertrages einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen