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Kommentar zum SpreedreieckDer viel zu kleine Skandal

Gereon Asmuth
Kommentar von Gereon Asmuth

Der Untersuchungsausschuss erforscht den rechtlichen Bauskandal am Spreedreieck. Das ästhetische Manko des Neubaus untersucht er leider nicht.

Fällt kaum auf im Straßenverlauf: Das Bürohaus auf dem Spreedreieck in der Bildmitte hinter dem Bahnhof Friedrichstraße Bild: taz

E rst wird ein falsches Grundstück verkauft, am Ende muss das Land gleich an zwei Investoren Millionen zahlen. Das ist ein echter Skandal. Schade nur, dass der Untersuchungsausschuss sich nicht auch um das größte Problem am Spreedreieck kümmert. Denn rechtlich gesehen mag das Haus ein bis zwei Etagen zu hoch sein. Aus ästhetischer Sicht aber sind fünf bis zehn Etagen zu niedrig.

Ein Hochbau an dieser Stelle wäre besonders geeignet, das Stadtbild in kraftvoller Weise zu bereichern - das meinten Gutachter der Akademie für Bauwesen bereits 1921. Im gleichen Jahr lobte die Turmhaus AG einen Wettbewerb aus, der Geschichte schrieb. 144 Architekten, darunter Hans Poelzig und Hans Scharoun, präsentierten im Roten Rathaus ihre Entwürfe.

Ludwig Mies van der Rohe schlug ein 20-stöckiges Glashochhaus vor. Zwar wurde er von der damaligen Jury ignoriert. Wohl auch, weil er alle Vorgaben missachtete. Gerade deshalb aber geriet seine Entwurfszeichnung zur Ikone der modernen Architektur. Sie hängt im New Yorker Museum of Modern Art - und wurde 2009 selbstverständlich auch bei der großen Bauhaus-Retrospektive im Martin-Gropius-Bau gezeigt. Jeder Neubau auf dem Spreedreieck muss sich daran messen.

Literaturtipp

Eine ausführliche Analyse des Bauwettbewerbs von 1921/22 findet sich in dem Katalog "Der Schrei nach dem Turmhaus", der 1988 zu der gleichnamigen Ausstellung des Bauhaus-Archiv Berlin im Argon-Verlag erschienen ist. Das Buch ist zwar leider vergriffen, lässt sich aber in einschlägigen Bibliotheken oder Antiquariaten finden.

Das wusste auch Mark Braun, der Architekt der nun dort hingestellten Konservenbüchse. Nicht von ungefähr erstellte er auch einen dem Idol nahekommenden Entwurf - mit über 30 Etagen. Das wäre ein städtebaulicher Akzent gewesen. In Berlin aber regiert die Traufhöhe, selbst wenn die Architekturgeschichte nach einem Turmhaus schreit.

Es ist offenbar unmöglich, dass in Berlin eine architektonische Aufgabe großen Stils auf ruhigem und geradem Wege gelöst wird, ohne dass es zu erstaunlichen Zwischenfällen, Streits und Unbehaglichkeiten kommt. Das schrieb mit Blick aufs Spreedreieck der Kritiker Max Osborn schon 1922. Leider nur in diesem Punkt zeigt sich die Berliner Baupolitik geschichtsbewusst.

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Gereon Asmuth
Ressortleiter taz-Regie
Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Bluesky:@gereonas.bsky.social Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de ex-Twitter: @gereonas Foto: Anke Phoebe Peters
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3 Kommentare

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  • B
    bisc

    typisch: nur gemecker.

     

    gibt es überhaupt einen neubau, der den berlinern gefällt?

    nein, es wird sich immer nur auf das konzentriert, was (angeblich) nicht stimmt, nicht passt, nicht schön ist. zu kurz, zu niedrig, zu dunkel.

    im architektur-bashing ist berlin ganz groß. da kann wirklich hingesetzt werden, was will, egal aus welchem material und mit welchen formen es aufwartet.

     

    dabei kann man sich hier nun wirklich nicht über architektonisches einerlei beklagen. eigentlich haben wir hier eine vielfalt, die ihresgleichen sucht. selbst der ach so verhasste potsdamer platz, der ja immer gleich pauschal kritisiert wird, ist nicht uniform, sondern besteht aus verschiedensten bauten. da ist sogar was für backsteinfans dabei...

     

    das spreedreieck ist untenrum langweilig (naja, passend zur shoppingmeile friedrichstraße) geworden, die fassade jedoch finde ich gelungen! ich sehe da keine "braune wand ohne fenster". das swiss hotel hat ne ähnliche fassade, auch von der farbe her - wurde sich darüber auch so aufgeregt? mir gefallen die abgerundeten formen - eben mal was ganz anderes als kantig und klotzig.

    und wegen zu klein - meine güte, das ist doch nun wirklich nicht das drama. klar hätte es höher besser ausgesehen. aber warum man nun ständig so übertreiben muss... haben wir sonst keine probleme?

    was da mit dem grundstück vor sich gegangen ist, finde ich viel schlimmer, und es ist auch richtig, lieber autor, dass darauf der hauptfokus liegt.

     

    mir gefällt auch nicht jedes gebäude in der stadt.

    mir gefällt auch nicht jeder mensch in der stadt. wüsste aber nicht, dass ich mich deshalb unablässig am aufregen wäre.

     

    den ganzen hobbykritikern würde ein blick in den spiegel sicherlich auch mal ganz gut tun und evtl so einiges relativieren. ;-)

  • E
    eiger-nordwand

    iel schlimmer finde ich, dass der entwurf des hochhauses einen hellen, silbrig gläsernen turm präsentierte, wohingegen die gebaute realität (wenn man von süden die friedrichstarsse hoch kommt) eine geschlossene braune wand ohne fenster präsentiert. in diesem stil wäre ein noch höherer bau der reine horror geworden. vielleicht sollte man zukünftig auch helligkeit, reflexionsgrad oder ähnliche kriterien zum teil der baugenehmigung machen.

  • A
    Arigoe

    " Aus ästhetischer Sicht aber sind fünf bis zehn Etagen zu niedrig. "

     

     

    Dem Urteil des Autors kann ich mich in keinster Weise anschliessen. In meinen Augen ist das neue Gebaeude POTTHAESSLICH< ein einfaltsloser Klotz aus Grau, Beton und Glas, welcher noch dazu fruehere wunderschoene Sichtschneisen auf den Bahnhof verdeckt, ohne irgendetwas aesthetisches beitzutragen.

     

    Architekten schreien viel - aber der momentane 'Kanon' moderner Architektur hat m.E. wenig zu einer Aufwertung von Leerraeumen beigetragen (siehe Potsdamer Platz).

     

    Statt die Stadtgestaltung und -weiterentwicklung dem aesthetischen Urteil von Architekten zu ueberlassen, taete Berlin gut daran sich ein Beispiel an anderen Staedten (z.B. Muenchen) zu nehmen, wo neue Bauprojekte in der Breite und transparent diskutiert werden, und wo die Stadtbewohner am Gestaltungs- und Entscheidungsfindungsprozess teilhaben.