piwik no script img

Kommentar zum Korea-GipfeltreffenVage genug für einen Exit

Fabian Kretschmer
Kommentar von Fabian Kretschmer

Die Einigung zwischen Nord- und Südkorea hat einen Haken, sie ist an Maßnahmen aus USA geknüpft. Doch welche Gegenleistungen erwartet Nordkorea?

Was erwartet Kim, und was hält er sich offen? Foto: dpa

D ie Resultate des dritten innerkoreanischen Gipfeltreffens werden die Gemüter spalten: Südkoreanische Tageszeitungen haben sie als „Durchbruch“ bezeichnet, die US-Regierung hingegen wird sie insgeheim als herbe Enttäuschung empfinden. Beide Seiten haben gute Gründe für ihre Haltung.

Zweifelsohne ist die Koreanische Halbinsel an diesem Mittwoch ein sicherer Ort geworden: Beide Koreas wollen die Wachposten in der entmilitarisierten Zone abrüsten, Militärübungen entlang der Grenze beenden und noch vor Jahresende mit der Wiederherstellung der innerkoreanischen Eisenbahnstrecke beginnen.

Ein Blick auf die „Feuer und Wut“-Rhetorik zwischen Trump und Kim von letztem Jahr reicht, um die nun in Pjöngjang erzielten Einigungen als historisches Glück zu empfinden: Damals stand die Koreanische Halbinsel am Rande eines Krieges. Davon ist heute nichts mehr zu spüren: Kim Jong Un wird noch in diesem Jahr die südkoreanische Hauptstadt besuchen, als erster nordkoreanischer Staatschef überhaupt. Ein mutiger Schritt. Er wird in Seoul von Zehntausenden wütenden Demonstranten begrüßt werden – ein eindrucksvoller Beweis für eine der pulsierendsten Demokratien Asiens.

Unter dem Gesichtspunkt der Denuklearisierung aber – und die ist nun mal für Washington und weite Teile der internationalen Gemeinschaft die Gretchen-Frage –, hat Kim Jong Un nur Halbgares geliefert. Die Schließung der Raketentestanlage in Dongchang-ri hatte Kim bereits im Juni versprochen, neu ist, dass Nordkorea nun auch seinen wichtigsten Nuklearkomplex in Yongbyon abrüsten will.

Doch diese Klausel hat einen ganz entscheidenden Haken: Sie ist an „korrespondierende Maßnahmen“ aus Washington geknüpft. Welche Gegenleistungen sich Nordkorea genau vorstellt – Lockerungen der Sanktionen oder Friedensvertrag – ist nicht vermerkt. In anderen Worten: Kim bleibt vage genug, um sich eine bequeme Exit-Strategie offen zu halten.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Fabian Kretschmer
Korrespondent in Südkorea
Seit 2024 Korrespondent für die koreanische Halbinsel und China mit Sitz in Seoul. Berichtete zuvor fünf Jahre lang von Peking aus. Seit 2014 als freier Journalist in Ostasien tätig. 2015 folgte die erste Buchveröffentlichung "So etwas wie Glück" (erschienen im Rowohlt Verlag), das die Fluchtgeschichte der Nordkoreanerin Choi Yeong Ok nacherzählt. Betreibt nebenbei den Podcast "Beijing Briefing". Geboren in Berlin, Studium in Wien, Shanghai und Seoul.
Mehr zum Thema

0 Kommentare