Kommentar zum Hungerstreik in Berlin: Hungerstreik hat sich abgenutzt
Trotz drastischer Maßnahmen erfahren die Flüchtlinge am Alex kaum Aufmerksamkeit.
P rotest mit dem eigenen Körper. Für seine Forderungen sterben. Hungerstreik und Durststreik. Radikaler als die Flüchtlinge vom Alexanderplatz kann man eigentlich nicht um seine Rechte kämpfen. Seit Samstag nehmen sie keine Nahrung mehr zu sich, seit Dienstagnacht kein Wasser, immer wieder müssen Flüchtlinge ins Krankenhaus eingeliefert werden, weil ihre Körper der Belastung nicht standhalten.
Wirkliche Öffentlichkeit erreicht ihr Protest aber nicht, Gesprächsangebote bleiben aus. Das politische Mittel Hungerstreik, bis vor Kurzem noch Garant für große Aufmerksamkeit, scheint sich abgenutzt zu haben.
Das Mittel ist nicht neu
Das Mittel ist nicht neu: Im Herbst 2012 gab es am Brandenburger Tor die erste organisierte Nahrungsverweigerung in den aktuellen Flüchtlingsprotesten, im Sommer 2013 folgte eine Gruppe am Münchener Rindermarkt, im Herbst dann noch einmal in Berlin. Eine Gruppe ehemaliger Besetzer des Oranienplatzes war bis vergangene Woche im Hungerstreik und hat diesen derzeit nur vorübergehend ausgesetzt, um die Verhandlungen mit der Bundesbeauftragten für Migration abzuwarten.
Sicherlich haben die verschiedenen Streikenden bisher viel erreicht, auch wenn unmittelbare Erfolge oft ausblieben: Flüchtlingspolitik steht deutlich stärker im Fokus der Öffentlichkeit, auch gibt es erste konkrete Verbesserungen wie etwa die vereinfachte Arbeitserlaubnis für AsylbewerberInnen. Dennoch: Hungerstreik bleibt ein drastisches und vor allem sehr riskantes politisches Mittel. Wenn damit nicht mal mehr echte Aufmerksamkeit zu erreichen ist, so wenig nachvollziehbar das auch sein mag, sollte er umso vorsichtiger eingesetzt werden.
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