Kommentar zum Fall Doğan Akhanlı: Opfer des deutsch-türkischen Konflikts
Erdoğan kennt bei der Verfolgung seiner Kritiker kein Halten, es trifft auch Doğan Akhanlı. Spaniens Justiz sollte sich nicht instrumentalisieren lassen.
D er deutsche Schriftsteller Doğan Akhanlı dürfte schwer geschockt gewesen sein, als spanische Polizisten ihn am Samstag in seinem Hotel in Grenada festnahmen. Zwar lässt die türkische Justiz ihn bereits seit Juli 2013 zur Vorführung in einem Strafverfahren suchen. Doch dass dieser Haftbefehl im europäischen Ausland Konsequenzen für ihn haben könnte, hätte Akhanlı wohl kaum vermutet.
Die türkische Regierung lässt derzeit nichts unversucht, um angebliche Putschisten, angebliche Terroristen und echte Kritiker der Regierung auch im Ausland zu verfolgen und ihre Auslieferung in die Türkei zu erreichen. Vor allem die Jagd auf Gülen-Anhänger, die für den Putschversuch im letzten Jahr verantwortlich sein sollen, wird weltweit in großem Stile betrieben.
Doch weil die Auslieferungsersuchen aus Ankara so unspezifisch sind, ist die Türkei bislang nicht weit gekommen mit ihren Wünschen. Weder lieferten die Vereinigten Staaten Sektenchef Fethullah Gülen aus noch die Bundesrepublik türkische Militärs, die hier Asyl beantragt haben und angeblich am Putsch beteiligt gewesen sein sollen.
In diesen Zwist ist jetzt der „Altfall“ Doğan Akhanlı geraten. Entweder weil die Türkei alle ihre Festnahmen und Auslieferungsersuchen noch einmal mit neuer Dringlichkeit versehen hat – oder weil der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan bewusst Leute in Europa suchen lässt, deren Festnahmen den Konflikt mit dem Westen und insbesondere Deutschland eskalieren sollen. Doğan Akhanlı hat mit den jüngsten Auseinandersetzungen seit dem Putschversuch nichts zu tun, wurde aber zum Opfer des deutsch-türkischen Konflikts.
Auf der Strecke bleibt in dieser politischen Auseinandersetzung ein geregeltes Rechtsverfahren. Es gibt sicher flüchtige Putschisten, die vor ein ordentliches Gericht gehören. Doch um europäische Länder zu einer Auslieferung zu bewegen, müssten zumindest stichhaltige Indizien vorgelegt werden – und ein unabhängiges Gerichtsverfahren gewährleistet sein. Beides ist nicht der Fall. Stattdessen benutzt die türkische Regierung Interpol jetzt für die politische Auseinandersetzung.
Dass Akhanlı zunächst auf freien Fuß gesetzt wurde, ist ein gutes Zeichen. Es bleibt zu hoffen, dass die spanische Justiz sich nicht instrumentalisieren lässt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit