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Kommentar zu MinijobsEinmal drin, immer drin

Statt Minjobs zu verbieten, hat die Bundesregierung die Regelungen dafür weiter erleichtert. Davon haben die Beschäftigten nur kurzfristig etwas.

Hier lockt die Billigjobfalle: Supermarktfilialen in Frankfurt am Main. Bild: Foto: Michael Probst/AP

D ie Frauen sind doch selber schuld. Wer heute nicht weiß, dass Minijobs, in denen hauptsächlich Frauen arbeiten, vom besser verdienenden Ehemann abhängig machen, zu keiner Rente führen und vielfach leicht kündbar sind, hat den Arbeits- und Rentenmarkt nicht verstanden. Und wohl auch keine Zeitung gelesen - schließlich berichten Medien viel über solche prekären Arbeitsverhältnisse. Ja, so kann man das sehen.

Man kann es aber auch anders betrachten: Wenn Frauen sich in einer bestimmten Familienphase für diese Form der Erwerbsarbeit entscheiden, dann tun sie das häufig in dem Glauben, ihre geringfügigen Beschäftigungen seien nicht von allzu langer Dauer. Schließlich sind viele von ihnen gut ausgebildet, sie steigen durch den Minijob nicht komplett aus dem Erwerbsleben aus - und rechnen sich deshalb später, wenn die Kinder größer sind, gute Chancen auf dem regulären Arbeitsmarkt aus. Aber sie irren.

Gerade weisen erneut zwei Studien nach, was Experten den "Klebeeffekt" nennen: einmal drin, immer drin. Selbst jüngere Akademikerinnen, die sich ihr Studium mit Minijobs verdient haben, berichten lange nach ihrem Abschluss, dass sie nicht mehr aus dem Callcenter rauskommen, nicht weg von der Aldi-Kasse und runter von der Putzstelle.

Bild: privat
Simone Schmollack

ist taz-Redakteurin für Frauen- und Geschlechterpolitik.

Auch dem Scheidungsrecht stehen Minijobs entgegen. Frauen sind nach einer Trennung heute verpflichtet, selbst für sich zu sorgen. Auf die Alimentation durch den Ex-Mann können sie nicht in jedem Fall und schon gar nicht bis an ihr Lebensende hoffen.

Aus genau diesen Gründen fordern GewerkschafterInnen, Arbeitsmarkt- und RentenexpertInnen sowie PolitikerInnen zurecht immer wieder, Minijobs abzuschaffen. Auch Arbeitsministerin Ursula von der Leyen und Frauenministerin Kristina Schröder (beide CDU) geben oft kund, dass Minijobs geradewegs in die Armut und vor allem in die Altersarmut führen. Was folgt daraus? Nichts.

Stattdessen wurde die Verdienstobergrenze bei Minijobs von 400 Euro auf 450 Euro angehoben. Das hat so manche Betroffene sicher gefreut, 50 Euro sind für viele viel Geld. Doch die Freude darüber dürfte von kurzer Dauer sein.

Selbst für die Wirtschaft. Sie profitiert zunächst zwar von den geringeren Lohnnebenkosten. Aber der von der Industrie so beklagte Fachkräftemangel wird dadurch bestärkt. Oder hört man etwa von MinijobberInnen mit Fortbildungen?

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
Simone Schmollack
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Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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7 Kommentare

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  • G
    Gebärstreik

    @Anke

     

    Warum Mütter kleben bleiben und sich nicht wehren ?

     

    Weil Eltern generell erpressbarer als Kinderlose sind. In einer kinderarmen Wettbewerbsgesellschaft umso mehr.

    Männer arbeiten sobald Kinder da sind viel länger, aus Angst der gestiegenen Verantwortung nicht gerecht zu werden und den Job zu verlieren. Mütter arbeiten Teilzeit, weil durch die gestiegenen Anforderungen von Schule etc. immer mehr "Bildungsarbeit" in die Familien verlagert und Frauenarbeit immer mehr verdichtet wird.

    Scheidungen nehmen zu, weil viele Frauen die Doppelbelastung einfach nicht mehr aushalten.

     

    Der Arbeitsmarkt wird von billigen Mütterteilzeitkräften überschwemmt.

    Familienleistungen werden gekürzt um keine "falschen Anreize" zu geben.

    Alleinerziehende werden bewußt in einen billigen Care-Job hineingedrängt. Der demografische Wandel und die zunehmende Pflegebedürftigkeit der Alten darf die Sozialkassen nicht belasten.

    Ausgerechnet die, die Kinder bekommen haben und damit erst ein Weiterleben der Gesellschaft ermöglichen, werden von der Politik und den Eliten verraten.

     

    Ich würde heute mich als Frau gegen Kinder entscheiden, obwohl ich sie sehr liebe.

  • A
    anke

    Leider verrät Frau Schmollack ihren interessierten Leserinnen nicht, was genau Frauen "kleben" bleiben lässt im "Callcenter", an der Aldi-Kasse" und auf der "Putzstelle". Wenn Frauen (sind es denn wirklich nur Frauen?) sich "in einer bestimmten Familienphase für diese Form der Erwerbsarbeit entscheiden", dann würden sie das gewiss viel bewusster tun, wenn man ihnen nicht nur etwas von drohender Altersarmut und Scheidungsfolgen erzählen würde. Worauf müsste ich achten beim Vertragsabschluss? Was muss ich tun, um später wieder umsteigen zu können? Welche speziellen Konstellationen sind besonders gefährlich? All das erfährt man nicht.

     

    Im Übrigen sind es keineswegs nur Familienmütter, die Minijobs verrichten. Auch viele Studenten sind auf schlecht bezahlte Teilzeitstellen angewiesen. Wer die Minijobs abschafft, ohne vorher zu erklären, wer künftig für diejenigen aufkommen soll, die vom Bafög allein nicht leben können, der riskiert viele abgebrochene Ausbildungen. Und dann können Leute, die in Minijobs "gefangen" sind, nicht einmal mehr auf ihre Qualifikation verweisen.

  • J
    Jobwunder

    Dieser Artikel tifft genau den Kern!

    Viele Vollzeitstellen, besonders im Handel und anderen Dienstleistungsbranchen, wurden und werden zu Gunsten schlechter bezahlter Minijobs aufgeteilt. Warum subventioniert der Staat die Anbieter solcher Beschäftigungsformen? Ganz einfach: es entsteht ein "Jobwunder" und die Lohndrückerei wird befördert. Weg mit den asozialen Minijobs, her mit tarifgebundenen Arbeitsstellen von deren Entgelt man auch leben kann!

  • S
    Sabine

    @Simone: Was haben SIE denn(nicht)studiert, dass Sie Ihre unmaßgebliche Meinung als Pseudo-Fakt hinstellen: "Ca. 99,9% aller 450-EUR-Jobber sind un- oder bestenfalls angelernte Aushilfskräfte, (...)" Das ist niederstes Stammtischniveau. Die taz hat im Gegensatz zu Ihnen offensichtlich gut recherchiert und hat Recht. Im Übrigen kommen wir mit dummdreister Arroganz nicht weiter. Die Regierung muss realisierbare Möglichkeiten schaffen, damit alle, die in diese 450-Euro-Falle geraten sind WARUM AUCH IMMER und raus wollen, dies auch schaffen können.

  • H
    Henkson

    Mit dem Artikel geh`ich voll mit. Schlimm ist auch die Tatsache, dass bestimmte Berufsgruppen wie im Einzelhandel und Dienstleistungsgewerbe durch solche Minijobregelungen systematisch unterwandert werden und die Leute davon weder vernünftig leben, noch irgendwann eine Rente beziehen können trotz 40 Std-Woche.

     

    Es kann eben nicht jedeR studieren, Anwalt, Arzt oder BundestagsabgeordneteR werden.

  • H
    Hanne

    "Sie profitiert zunächst zwar von den geringeren Lohnnebenkosten."

     

    Ich verstehe nicht, woher diese Aussage immer kommt?

    Denn sie stimmt einfach nicht.

     

    Die Lohnnebenkosten, die den Arbeitgebern bei versicherungspflichtigen Jobs entstehen, liegen aktuell bei ca. 21 %. Der Arbeitnehmer zahlt noch mal ungefähr genauso viel von seinem Bruttolohn.

     

    Bei sog. Minijobs fallen auf den Arbeitnehmerbruttolohn ca. 35 % an. Für den Arbeitnehmer allerdings nur 3,9 % Rentenversicherungsbeitrag.

     

    Die "Lohnnebenkosten" sind daher prozentual bei geringfügigen Beschäftigungen wesentlich höher!!!

     

    Siehe auch:

     

    http://de.wikipedia.org/wiki/Lohnnebenkosten

     

    http://www.minijob-zentrale.de/DE/0_Home/01_mj_im_gewerblichen_bereich/04_400_euro_minijob/04_pauschalabgaben/rechengroessen.html?nn=360418

     

    Sie scheinen vielleicht niedriger, weil zugleich niedrigere Bruttolöhne gezahlt werden, da dem Arbeitnehmer ja fast nichts "abgezogen" wird vom Bruttogehalt. Aber auch da ist der Unterschied, wenn man die Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung etc. zusammenzählt nicht so groß, wie oft dargestellt (ca. 42 % zu ca. 39 %).

  • S
    Simone

    Warum nur kommen die Linken mit dem immer gleichen Gelalle vom Fachkräftemangel? Klar gibt es den, aber der betrifft Fachkräfte. Ca 99,9 % aller 450-EUR-Jobber sind un- oder bestenfalls angelernte Aushilfskräfte, die können von keinem Arbeitgeber der Welt zu Fachkräften umgeschult werden. Oder will die taz ernsthaft einem Kellner jetzt den Brückenbau anvertrauen? Oder die nächste Herz-OP? Einfach mal kurz eine Fortbildung besuchen und dann Raketen zum Mond bauen?

    Gute, durch Studiengebühren finanzierte Unis helfen gegen den Fachkräftemangel - aber das will die taz ja auch nicht, die kann nur vom rechten Rand gegen Arbeitgeber hetzen und rumnölen. Peinlich.