Kommentar zu Minijobs: Einmal drin, immer drin
Statt Minjobs zu verbieten, hat die Bundesregierung die Regelungen dafür weiter erleichtert. Davon haben die Beschäftigten nur kurzfristig etwas.
D ie Frauen sind doch selber schuld. Wer heute nicht weiß, dass Minijobs, in denen hauptsächlich Frauen arbeiten, vom besser verdienenden Ehemann abhängig machen, zu keiner Rente führen und vielfach leicht kündbar sind, hat den Arbeits- und Rentenmarkt nicht verstanden. Und wohl auch keine Zeitung gelesen - schließlich berichten Medien viel über solche prekären Arbeitsverhältnisse. Ja, so kann man das sehen.
Man kann es aber auch anders betrachten: Wenn Frauen sich in einer bestimmten Familienphase für diese Form der Erwerbsarbeit entscheiden, dann tun sie das häufig in dem Glauben, ihre geringfügigen Beschäftigungen seien nicht von allzu langer Dauer. Schließlich sind viele von ihnen gut ausgebildet, sie steigen durch den Minijob nicht komplett aus dem Erwerbsleben aus - und rechnen sich deshalb später, wenn die Kinder größer sind, gute Chancen auf dem regulären Arbeitsmarkt aus. Aber sie irren.
Gerade weisen erneut zwei Studien nach, was Experten den "Klebeeffekt" nennen: einmal drin, immer drin. Selbst jüngere Akademikerinnen, die sich ihr Studium mit Minijobs verdient haben, berichten lange nach ihrem Abschluss, dass sie nicht mehr aus dem Callcenter rauskommen, nicht weg von der Aldi-Kasse und runter von der Putzstelle.
ist taz-Redakteurin für Frauen- und Geschlechterpolitik.
Auch dem Scheidungsrecht stehen Minijobs entgegen. Frauen sind nach einer Trennung heute verpflichtet, selbst für sich zu sorgen. Auf die Alimentation durch den Ex-Mann können sie nicht in jedem Fall und schon gar nicht bis an ihr Lebensende hoffen.
Aus genau diesen Gründen fordern GewerkschafterInnen, Arbeitsmarkt- und RentenexpertInnen sowie PolitikerInnen zurecht immer wieder, Minijobs abzuschaffen. Auch Arbeitsministerin Ursula von der Leyen und Frauenministerin Kristina Schröder (beide CDU) geben oft kund, dass Minijobs geradewegs in die Armut und vor allem in die Altersarmut führen. Was folgt daraus? Nichts.
Stattdessen wurde die Verdienstobergrenze bei Minijobs von 400 Euro auf 450 Euro angehoben. Das hat so manche Betroffene sicher gefreut, 50 Euro sind für viele viel Geld. Doch die Freude darüber dürfte von kurzer Dauer sein.
Selbst für die Wirtschaft. Sie profitiert zunächst zwar von den geringeren Lohnnebenkosten. Aber der von der Industrie so beklagte Fachkräftemangel wird dadurch bestärkt. Oder hört man etwa von MinijobberInnen mit Fortbildungen?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
James Bond
Schluss mit Empfindsamkeit und Selbstzweifeln!
Bodycams bei Polizei und Feuerwehr
Ungeliebte Spielzeuge