Kommentar zu Kundenkartentausch: Mehrere Großfamilien im Einkaufskorb
Kundenkarten sammeln persönliche Daten. Ein Schutz der Privatsphäre ist am besten durch Kartentausch möglich – das verwirrt die Algorithmen.
M it Kundenkarten ist es genauso wie auch sonst im Leben: Wer Geld hat, lebt günstiger. Anscheinend bestand das Problem schon zu biblischen Zeiten, der Satz „Wer da hat, dem wird gegeben“ stand schließlich im Matthäusevangelium. Aber mit Kundenkarten gibt es nun die Möglichkeit, systematisch für Ungerechtigkeit zu sorgen.
Kundenkarten perfektionieren das Prinzip „Mehr für mehr“. Wer viel Geld ausgibt, bekommt von Rabatten und Prämien bis zu Freiflügen und dem kostenlosen Änderungsservice eine ganze Reihe Waren und Dienstleistungen billiger oder geschenkt, für die alle anderen zahlen müssen. Von einer miesen Privatsphärebilanz abgesehen ist diese Praxis eine Benachteiligung derer, die weniger konsumieren. Und zwar eine, die mit der Verbreitung von Einkaufs-Apps und persönlichen Gutscheinen noch zunehmen wird.
Natürlich, das Beste wäre es, alle Kundenkarten in den Aktenschredder zu stecken und bei den Unternehmen die Löschung der persönlichen Daten zu verlangen. Aber es gibt auch eine subtilere Möglichkeit: den Kartentausch. Bei Kundenkarten, die nicht auf eine Person registriert sind, ist das sowieso kein Problem, bei allen anderen sollte man zumindest aufpassen, dass das Unternehmen nichts davon mitbekommt. Sonst gibt es eine Kündigung, das hatte eine Aktion von Datenschutzaktivisten mit einer kopierten Payback-Karte gezeigt.
Der Tausch hat den Vorteil, dass sich kleinere Einkäufe mit größeren vermischen und auch die Informationen über den vermeintlichen Karteninhaber verschwimmen. Der Weinliebhaber, der Katzenstreu, Hunde- und Vogelfutter kauft, von Tiefkühlpommes bis Trüffelleberpastete alles zu essen scheint und monatlich genügend Zahnbürsten für mehrere Großfamilien in den Einkaufswagen packt – da hat der Algorithmus was zu tun.
Die Punkte lassen sich trotzdem weitersammeln. Und vielleicht ja am Ende aus der Prämie eine Spende machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter