Kommentar zu Grünen und Kopftuch: Bitte mit Köpfchen!
Die Berliner Grünen wollen das Kopftuchverbot in Schulen abschaffen. Darüber muss diskutiert werden: Mit der SPD und über das Vertrauen in Religionen.

Harter Kampf ums Kopftuch Foto: dpa
Wenn zwei Freiheitsrechte aufeinandertreffen, wird es spannend. Sagt die eine: „Ich darf glauben, was ich will.“ Und die andere: „Der Staat muss neutral sein.“ Dann knallt es – und es scheint unmöglich, den Widerstreit aufzulösen.
Das Berliner Neutralitätsgesetz schreibt vor, dass LehrerInnen an allgemein bildenden Schulen keine religiös geprägte Kleidung tragen dürfen. Zuletzt hatten mehrere Kopftuch tragende Lehramtsanwärterinnen und Lehrerinnen erfolgreich gegen das Verbot wegen Diskriminierung geklagt und Entschädigungen erstritten, weitere Prozesse stehen an. Daher wollen die Grünen das vor mehr als zehn Jahren verabschiedete Gesetz kippen. Ein entsprechender Antrag wurde auf dem Parteitag am Samstag ohne Gegenstimme angenommen.
Bildung müsse neutral sein, betonen die Grünen weiterhin. Diese Neutralität lasse sich jedoch nicht an Kleidung festmachen. „Ich möchte, dass es Lehrerinnen mit Kopftuch gibt. Und ich erwarte zugleich, dass sie die Religionsfreiheit von Schülerinnen verteidigen, die kein Kopftuch tragen wollen“, forderte die einstige grüne Landeschefin Bettina Jarasch.
Doch so einfach ist die Realität nicht. Religiöse Symbole sind Herrschaftssymbole, sie drücken die Anerkennung einer höheren Macht aus. LehrerInnen sollen Autoritäten darstellen, sie stehen einer Klasse vor. Natürlich muss beides nicht heißen, dass deswegen SchülerInnen in ihrer Religionsfreiheit beeinträchtigt werden. Aber das ist ein Idealfall, der die Hierarchie insbesondere gegenüber jüngeren SchülerInnen verkennt.
Vorteil der bisherigen Regelung ist ihre Klarheit. Doch rechtlich ist sie kaum mehr haltbar, selbst wenn sich gute Teile der SPD weiter gegen die Abschaffung stemmen. Es ist daher Zeit für eine breite gesellschaftliche Diskussion, in der es um belastbare Regelungen geht, vor allem aber um die Frage des Vertrauens in Religionen, womit nicht nur der Islam gemeint ist. So schnell, wie die Diskussion auf dem Grünen-Parteitag vorbei war, wird das nicht gehen. Dort saß übrigens keine Frau mit Kopftuch.
Leser*innenkommentare
Gergens
Die Grünen und Die LINKE sind weder ihrer hirnlosen Islampolitik längst unwählbar geworden. Das Ausmaß an ideologischer Borniertheit ist erschreckend.
christine rölke-sommer
wenn ich revue passieren lasse, was für - milde gesprochen - schrulligen lehrern ich schon begegnet bin, dann versteh ich nicht, was die aufregung um die lehrerin mit tuch auf kopf soll. die kann mathegenauso gut unterrichten wie der AfD-lehrer.
Jasmin Cetin
@christine rölke-sommer Sicher kann eine Muslima auch sehr gut Mathe unterrichten. Darum geht es jedoch nicht. Es geht um die Frage ob es beispielsweise dem AFD-Lehrer erlaubt sein soll in seine politischen Überzeugungen (z.B. durch ein Partei-T-Shirt, etc. ) offen im Unterricht zur Schau zu stellen.
El-ahrairah
@christine rölke-sommer Blödstellen bleibt Bosslogik
A. Müllermilch
"Es ist daher Zeit für eine breite gesellschaftliche Diskussion, in der es um belastbare Regelungen geht, vor allem aber um die Frage des Vertrauens in Religionen, womit nicht nur der Islam gemeint ist."
Vertrauen ist gut, Misstrauen ist besser. Islam heißt Frieden. Christentum heißt Frieden. Im Prinzip heißen alle Religionen Frieden. Zumindest für den Teil ihrer Anhäger untereinander, die der exakt gleichen Sekte anhängen.
Solange AKP-Islamisten in der Türkei Nichtgläubige wegsperren, sollte man sich gegen Islamisten-Symbolik in d wehren.
Wuff
@A. Müllermilch Ja, alle wollen Frieden. Aber die Religionen haben nun mal das meiste Unheil auf der Welt angerichtet.
El-ahrairah
Die Glaubens- und Religionsfreiheit beschränkt sich auf den Inhalt des Kopfes und hat mit entsprechenden Bedeckungen, die ihm als äußere Zeichen der Zugehörigkeit und ideologischen Ausrichtung übergestülpt werden, nichts zu tun.
Toni Zweig
Ach!
Männliche Lehrer tragen künftig
grüne Kopftücher?
Auch die Redakteure von der taz?
Berliner Irrungen und Wirrungen
nehmen zu...!
Da hilft nur noch Satire, ein Jammer!
rero
Ein guter Artikel. Die fehlende gesellschaftliche Diskussion ist ein wichtiger Punkt des Problems.
Wenn R2G das Kopftuch bei Lehrerinnen ohne eine breite Diskussion zulässt, wird es die Segregation in der Schule langfristig verstärken.
Nichtmuslimische Eltern werden Schulen wählen, wo es nicht viele kopftuchtragende Lehrerinnen gibt.
An den anderen Schulen sammeln sich die Schüler, bei denen das Kopftuch der religiösen Übezeugung ihrer Eltern entspricht.
Die meisten Eltern werden dann bei der Schulwahl nicht nur auf den Anteil an Kindern nichtdeutscher Herkunftssprache achten, sondern auch noch auf die Kopftuchquote unter den Lehrinnen.
Dass es eigentlich um das Vertrauen in Religionen geht, habe ich noch nie so gesehen. Damit hat der Autor aber durchaus recht.
39167 (Profil gelöscht)
Gast
Das wird so kommen.
Es können sich aber nur Eltern mit dickem Geldbeutel erlauben eine andere Schule für ihre Kinder zu finden.
Wozu wird diese Entscheidung führen, wenn es denn dazu kommt?
Es wird einen Riesenzuwachs für die braune Grütze geben.
Sind die Regierenden in Berlin wirklich so unglaublich naiv oder einfach nur ignorant?
Gesunder Menschenverstand
Wo stand es noch mal im Koran, dass eine anständige Muslima ein Kopftuch zu tragen hat?
Günter Witte
Jedem seinen Glauben, aber Ordnung im System geht vor. Wir haben wir in Deutschland so um die 8% Menschen die dem Islam angehören, und alleine um diese gibt es immer Diskussionen. Wieviele andere Glauben gibt es bei uns, von denen man nichts hört? Also Glauben an die Orte wo immer sie zusammenkommen wollen, und von staatlichen Sachen fernhalten.
39167 (Profil gelöscht)
Gast
Das ist richtig.
Was ist mit den Buddhisten, den Hindus, den .......
Jedem, seine eigene Kopfbedeckung.
Das wird interessant.
Günter Witte
Sie haben mich verkehrt verstanden, es dürfen keine Kreuze in öffentlichen Gebäuden sein, warum soll es dann für den Islam irgendwelche Ausnahmen geben.
Wer in Deutschland nach Deutscher Ordnung Arbeiten will, muss sich daran halten oder in Länder Arbeiten die das zulassen. Man kann sich nicht immer nur die Rosinen herauspicken.
39167 (Profil gelöscht)
Gast
Meine Antwort an Sie war als "Satire" gemeint.
Ich stimme mit Ihnen überein, religiöse Zeichen sind im staatlichen Dienst nicht akzeptabel.
Jasmin Cetin
Sicher sollen auch Frauen muslimischen Glaubens Lehrer, Richter oder Polizisten werden sollen. Dafür muss aber nicht das Neutralitätsgebot, sondern das Kopftuchgebot gelockert werden.
Muslimas in Europa profitieren von der Säkularisierung selbst am meisten. Weshalb entwickeln sie die Tradition um das Kopftuch nicht weiter, indem sie es in ihrer öffentlichen Rolle als Teil unserer Gesellschaft ablegen und nur als Privatperson tragen. Damit könnte man sich auch gegenüber dem totalitären, politischen Islam abgrenzen und einen ersten Schritt in Richtung aufgeklärtem Euro-Islam gehen.
Die Alternative, das Neutralitätsgesetz zu lockern, sehe ich einfach nicht. Dann müssten auch Kreationisten, Scientologen, AFDler, Reichsbürger, etc. Ihre politischen Einstellungen als Lehrer, Richter oder Polizist offen zur Schau stellen dürfen. So kann eine demokratische Gesellschaft aber sicher nicht funktionieren.
39167 (Profil gelöscht)
Gast
Sehr guter Kommentar, danke vielmals.
Lehrerin mit Kopftuch, das geht nicht. Die Religion, die sie verkörpern, macht nicht im Unterricht halt.
Ich war in einer von Nonnen geführten Schule, grauenhaft!
Die Grünen sind auf dem falschen Weg! Das ist keine Diskrimierung, sondern die Umsetzung der Trennung von Kirche und Staat.
Glauben sie allen Ernstes, eine kopftuchtragende Lehrerin würde Toleranz üben bei Homosexualität oder der kritischen Einstellung, die vielleicht manche Schüler/innen zeigen?
Aus eigener Erfahrung, siehe oben, kann ich sagen, sie tun das nicht. Diese Schüler/innen werden bestraft. Das ist sicher!
Das geht so nicht!