Kommentar zu Alnatura: Nicht einlullen lassen
Auch und gerade alternative Betriebe sind in Gefahr, den Regeln des Kapitalismus unterliegen.
Es ist immer wieder das selbe Lied, erst recht in Betrieben, die sich den Anschein verleihen wollen, alternativ zu sein, progressiv oder gar links – aber doch den Regeln des Kapitalismus unterliegen und gegenüber Konkurrenten bestehen müssen: Die Rechte der Beschäftigten werden durch scheinbar solidarische Betriebsstrukturen und psychischen Solidaritätsdruck gering gehalten, Betriebshierarchien durchs allgemeine Duzen verschleiert und durch scheinbare Mitbestimmung in Form von Meetings und Plena möglichst vage gehalten. Davon können auch tazlerInnen manches Lied singen.
Dabei sollten doch gerade die Beschäftigten solcher Betriebe nicht schutzlos sein – dafür zu sorgen, ist das Betriebsverfassungsgesetz geschaffen worden. Und dieses sieht vor, dass in jedem Betrieb mit mehr als fünf MitarbeiterInnen ein Betriebsrat zu wählen ist. Wohlgemerkt: Das ist keine „Kann“-Bestimmung, das ist ein Muss.
Auch in „Alternativbetrieben“ treten ja arbeitsrechtliche Konflikte auf, sogar dann, wenn die Mitarbeitenden bei unbezahlten Überstunden nicht so genau auf die Uhr gucken oder Vergütungen teils weit unter tariflichen Branchengehältern akzeptieren. Spätestens, wenn es um drohende Entlassungen geht oder um gravierende Missstände bei den Arbeitsbedingungen, ist die gesetzlich vorgesehene Intervention eines Betriebsrats plötzlich dringend nötig.
Dass die Bosse bei Alnatura, nicht bloß streng genommen ein kapitalistisches Unternehmen, nun durch Tricksereien die Gründung eines Betriebsrates in Bremen verhindern wollen – beziehungsweise diesen kleinhalten –, das sollte die Beschäftigten wachrütteln: Es ist ein Indiz dafür, dass sich der Konzern mit seinen deutschlandweit 99 Filialen auch nicht von einem Gesamtbetriebsrat in die Karten gucken lassen wird. Wenn es aber zur Schließung so eines Bio-Supermarktes kommt, dann hat nun mal nur ein dreiköpfiger Betriebsrat die Möglichkeit, einen Sozialplan für die Betroffenen abzuschließen. Da sollten sich die Beschäftigten nicht einlullen lassen – auch nicht von Bossen, zu denen sie „du“ sagen.
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