Kommentar von Uwe Rada zu den neuen Machtverhältnissen in der Berliner SPD: Michael Müller muss mit allem rechnen
Uwe Rada
ist Redakteur für Stadtentwicklung.
Dass sich Michael Müller zurückziehen würde, war schon lange Gesprächsthema in der Berliner SPD. Mit 15 Prozent in den Umfragen war klar, dass er nicht mehr der Spitzenkandidat für die Wahlen im nächsten Jahr sein wird. Wenn jemand die Chance hat, der Partei neues Leben einzuhauchen, ist es Franziska Giffey. Das sieht inzwischen wohl die Mehrheit in der Berliner SPD so.
Deshalb hat ein kleiner Kreis im Hinterzimmer einen Rochadeplan ausgeheckt. Müller verzichtet auf den Landesvorsitz und macht den Weg für Franziska Giffey frei. Müller selbst soll in den Bundestag. Damit nichts schiefgeht, soll erst die Landesliste verabschiedet werden und dann erst die Kür Giffeys zur Spitzenkandidatin 2021 erfolgen.
Auf den ersten Blick sichert sich Müller so einen – für ihn – gesichtswahrenden Abgang. Dennoch ist nicht ausgemacht, ob es so kommt. Eva Högl zum Beispiel hat als Spitzenkandidatin 2017 die Berliner SPD von der Idee eines Mietendeckels überzeugt. Soll sie nun weichen? Und was ist mit dem Mietexperten Klaus Mindrup, der die Genossen im Bund mit mühsamer Mund-zu-Mund-Beatmung von der Notwendigkeit überzeugt, das Mietrecht zu reformieren? Soll er weg, um einem glücklosen Regierungschef den Weg frei zu machen?
Absprachen wie die, die der kleine SPD-Klüngel getroffen hat, basieren in der Regel auf einem Gleichgewicht der Kräfte. Hält die eine Seite ihr Versprechen nicht ein, muss sich auch die andere Seite nicht mehr an die Absprache halten.
Im Falle Müller darf man freilich die Frage stellen, ob er seine Machtposition noch realistisch einschätzt. Was, wenn ihn die Delegierten einer Landesvertreterversammlung nicht auf Platz eins der Landesliste wählen? Was, wenn er nicht mal auf Platz drei kommt? Rufen dann die wenigen verbliebenen Getreuen auf, Franziska Giffey als Spitzenkandidatin durchfallen zu lassen? Tritt Müller dann in einer Kampfabstimmung gegen sie an?
Spannend dürfte sein, mit welchem Ergebnis Giffey im Mai zur Landeschefin gewählt wird. Und ob sie danach nicht auch nach dem Amt der Regierungschefin greift. Die Müller-Dämmerung hat schneller begonnen als gedacht.
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