Kommentar von Ulrike Fokken zum Waldsterben: Die Bäume wachsen nicht mehr in den Himmel
Kaum haben die Deutschen das Waldbaden entdeckt, trocknet ihnen die Badewanne aus. Bäume darben in der Dürre, schmeißen nicht mehr nur Blätter und Äste ab im Trockenstress, sondern gehen ein.
Dem Wald geht es in den meisten Regionen Deutschlands schlecht, mindestens 100.000 Hektar Forst sind abgestorben oder von Borkenkäfern befallen, sodass Förster frühzeitig ernten. Für die Forstwirtschaft ist die Trockenheit eine Katastrophe, zerbröselt doch ihr Wirtschaftsmodell aus den Frühzeiten der Industrialisierung.
Aber ihre Herangehensweise hat sich überholt. Die Forstwirtschaft wird akzeptieren müssen, dass sie nur innerhalb von Ökosystemen und damit mit den Vernetzungen unter Bäumen, Pilzen, Flechten, Sträuchern und auch Tieren wirtschaften kann. Die Zusammenhänge sind lange bekannt, die Probleme auch. Wie bei allen Krisen, kommen sie nun nur deutlicher hervor. Die letzten Dürreperioden waren extrem und gehören damit zu den menschengemachten Ereignissen im Klimawandel. Wir, die wir gern im Wald sind, erleben, dass Erderwärmung und Klimawandel auf einmal unser Leben betreffen.
Das hat auch die Politik erkannt. Bundesagrarministerin Julia Klöckner lädt zu einem nationalen Waldgipfel und biedert sich mit Heilsversprechungen an die deutsche Volksseele an. Sie will „unseren Wald retten“, wird endlich nicht mehr nur mit Ferkelkastration und Insektensterben im Glyphosatnebel in einem Satz genannt. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder schwingt sich im zweiten Sommer des wahrgenommenen Klimawandels zum Baumversteher und Klimaschützer auf. 30 Millionen Bäume will er in den nächsten fünf Jahren pflanzen lassen und keine Gewinnerwartungen mehr an den Landesforst stellen.
Aufforsten im Wald wirkt wie eine Schocktherapie für einen Schwerkranken. Vielleicht verlängert sie das Leben, wenn der Körper mitmacht. Lebensverlängernde Maßnahmen für Wirtschaftswälder bringen vielleicht noch ein paar Jahre Gewinne und halten die Forstwirtschaft am Laufen. Den extremen Trockenheiten, Stürmen, Starkregen im Klimawandel sind die Wälder auch mit Aufforstungen nicht gewachsen.
Sollte der Wald großflächig absterben, wird es bis zu 80 Jahre dauern, bis die nächste Generation Bäume als Wald unsere Urenkelinnen erfreut. Der Wald kann sich auch vorher erholen, wenn es wieder lange und ausreichend regnet. Vermutlich sieht er dann anders aus, als wir es gewohnt sind. Doch genau darum geht es ja: Die Sichtweise auf die Natur in den Zeiten der Erderwärmung zu verändern und unser Handeln so auszurichten, dass sich Leben entwickeln kann. Nicht nur im Wald.
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