Kommentar von Stefan Reinecke zur Lage der SPD vor den Neuwahlen: It’s soziale Sicherheit, stupid
Es sieht ein paar Tage nach der Implosion der Ampel nicht gut aus für die SPD. Kanzler Scholz mag das blame game mit der FDP, wer schuld an den Neuwahlen ist, gewonnen haben. Doch die FDP ist nicht der Gegner, sondern die Union. Und da machen Scholz und seine Leute derzeit Fehler, die bei politischen Profis verwunderlich sind.
Die Idee, dass man gemütlich einen Wahltermin im März anpeilt und die Union so nett ist, der rot-grünen Minderheitsregierung inzwischen bei ein paar Gesetzen zur nötigen Mehrheit zu verhelfen, war verblüffend naiv. Warum sollte die Union das tun? Die zentrale Hoffnung von Scholz ist ja, dass das Publikum begreifen wird, dass er in aufgewühlten Zeiten – Trump, Ukrainekrieg, Deutschland in der Wirtschaftskrise – „etwas cooler“ (Scholz Sonntagabend bei Caren Miosga in der ARD) ist als Friedrich Merz. Die SPD hofft auf Fehler beim unberechenbaren Merz. Dafür ist ein längerer Wahlkampf naturgemäß günstiger. Die Union hat keinen Grund, den Wahltermin weit weg zu schieben. Außerdem funktioniert sie, anders als 2021, wieder als eine gut geölte Machtmaschine. Auf Fehler des Gegner hoffen ist immer zu wenig.
Der Kanzler meint nun, dass man notgedrungen zu einer früheren Wahl bereit sei. Doch das Entscheidende fehlte: warum Scholz Kanzler bleiben will. Trump wird wie ein Katalysator alle vorhandenen Probleme verschärfen: „America first“ heißt, dass der Rüstungsetat in Deutschland steigen wird, egal wer regiert. Deutschland wird mehr Geld für die Ukraine zahlen müssen. Zudem wankt das ökonomische Modell Deutschland, das auf billigem Gas aus Russland und Exporten nach China fußte. Deutschlands Exporte nach Fernost bröckeln. Der digitale und klimaneutrale Umbau der Wirtschaft wird Hunderte Milliarden kosten, die soziale Abfederung noch mal so viel. Wenn man Merz ernst nimmt, soll all das ohne neue Schulden bewältigt werden – und zulasten des Sozialstaates.
Die SPD hat ein paar bessere Ideen. Man kann die Schuldenbremse so reformieren, dass genug Geld da ist, um das Tief der Autoindustrie abzufedern, ohne das untere Fünftel zu drangsalieren. Es geht nicht um Klassenkampf, sondern um Sicherheit. Das ist klassisch sozialdemokratisch: Schutzmacht der sozialen Mitte. Scholz hat ein paar zaghafte Andeutungen in diese Richtung gemacht. Das reicht nicht. Die SPD muss Sicherheit zu einer einleuchtenden Erzählung verdichten. Und einen Kandidaten haben, der diese Erzählung freundlich, glaubwürdig und gewinnend verkörpert. Davon ist bislang wenig zu sehen.
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