Humanitäre Hilfe für den Gazastreifen: Israel entlarvt sich selbst
Israel will keine Hilfslieferung nach Gaza schicken, weil die in die Hände der Hamas fallen könnten. Das zeigt, dass das Kriegsziel unerreichbar ist.

N ach über zwei Monaten Blockade lässt Israel wieder Hilfsgüter in den Gazastreifen. Nicht zu früh freuen: Premierminister Benjamin Netanjahu betonte gleich, es handele sich um ein „Mindestmaß“, das „aus praktischen und diplomatischen Gründen“ geliefert würde. Offizielle Begründung für die seit Anfang März für die Lieferung humanitärer Güter geschlossene Grenze: Man wolle nicht, dass sie in den Händen der Hamas landeten.
Auch der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, betonte im Deutschlandfunk: „Hilfe für die Zivilbevölkerung – ja, für die Terroristen – nein.“ Niemand habe ein Interesse daran, dass die Bevölkerung hungert. Daraus lassen sich zwei mögliche Schlüsse ziehen: Nimmt man die Begründung der israelischen Regierung hin, so ist die Hamas nach über 19 Monaten Krieg, Zigtausenden zivilen palästinensischen Toten, Hunderten im Kampf gefallenen israelischen Soldaten noch immer derart in Kontrolle, dass eine Lieferung an ihr vorbei nicht möglich zu sein scheint.
Dafür, dass Teile der Hilfslieferungen entwendet wurden – von wohl Hamas-nahen Gruppen oder der Miliz selbst –, gibt es Belege. Dafür, dass einige Hilfsgüter auf den Märkten verkauft statt verteilt werden, auch. Rechtfertigt das, die Bevölkerung eines ganzen Küstenstreifens in eine absolute Mangellage zu stürzen? Natürlich nicht – da sind sich die internationale Gemeinschaft und viele Völkerrechtler einig. Der andere mögliche Schluss: Israel führt Krieg gegen die Hamas, aber auch gegen die Zivilbevölkerung.
Mit dem Ziel, nicht nur die Hamas zu vertreiben, sondern auch die Zivilistinnen und Zivilisten. Passende Aussagen dazu gibt es aus den Reihen der israelischen Regierung genug. Eines ist sicher: Die Kriegsstrategie Israels funktioniert nicht. Sie besiegt nicht die Hamas, sie stärkt sie sogar. Das Militär schickt die Bevölkerung nicht hinter die Frontlinie, wo sie – im Einklang mit dem Völkerrecht – versorgt werden könnte, sondern immer wieder in die Kontrolle der Miliz.

Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums.
In den sozialen Medien häufen sich Videos: Menschen aus der Stadt Chan Junis protestieren gegen den Krieg und die Hamas. Was macht Israel? Vertreibt sie weiter nach al-Mawasi, wo das Militär einst Hamas-Kommandeur Muhammad Deif tötete – in einem Lager voll Vertriebener. Es ist richtig, dass nun Frankreich, Großbritannien und Kanada die absurde Kriegsführung auf Kosten der Palästinenser wie Geiseln nicht mehr hinnehmen wollen.
In einer Erklärung sprechen sie von „konkreten Konsequenzen“. Bleibt es bei fünf Lkws an Hilfslieferungen, müssen sie folgen. Und bleibt Israel bei seiner Kriegstaktik, auch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Arbeitszeit in Deutschland
Faul sein fürs Klima
Trump und Putin am Telefon
Nichts als Floskeln
Israelische Militäroffensive
Sinnlos in Gaza
Nach ESC-Erfolg Israels
Debatte um Publikumsvoting
Verletzter Polizist bei Nakba-Demo
Im Zweifel für Demoverbote
Jahresbilanz 2024 der Beratungsstellen
Im Schnitt werden jeden Tag 12 Menschen Opfer rechter Gewalt