Kommentar von Jasmin Kalarickal zu den hochgesteckten Wohnungsbauplänen der Regierung: Neubau allein ist nicht die Lösung
Die Bundesregierung wird ihr Ziel, 400.000 neue Wohnungen zu bauen, nicht erreichen. Etwas anderes zu denken hieße, sich der Realität zu verweigern. Durch den russischen Angriffskrieg sind die Energie- und Baukosten weiter gestiegen, viele Bauprojekte ruhen, Fachkräfte fehlten schon vorher. Nur die Wohnungsnot ist nicht kleiner geworden. Im Gegenteil: Durch die Aufnahme von Geflüchteten müsste die Zahl der benötigten Wohnungen zusätzlich nach oben korrigiert werden.
Dass sich das Bündnis bezahlbarer Wohnraum, das von Immobilienwirtschaft über Gewerkschaften bis hin zum Mieterbund reicht, auf ein Bündel von Maßnahmen geeinigt hat, ist ein positives Signal. Ohne konstruktive Zusammenarbeit wird es perspektivisch nicht funktionieren. Die meisten Maßnahmen zielen darauf ab, Bauen zu beschleunigen und zu vereinfachen. Das ist gut. Doch in einer Zeit, in der vor allem bezahlbare Wohnungen fehlen, wird es nicht ausreichen, allein den Koalitionsvertrag abzuarbeiten.
Von Anfang an war es ein Fehler der Regierung, einzig auf das Bauen zu setzen und darauf zu hoffen, dass damit die Mieten wieder sinken. Neubau hat nur einen marginalen Einfluss auf die Preisbildung. Dieses Land braucht keine neuen Luxuswohnungen, sondern günstigen Wohnraum. Wichtig wäre es deshalb, die geplante Neue Wohngemeinnützigkeit umzusetzen, mit der Wohnungsbauunternehmen, die gemeinwohlorientiert arbeiten, staatlich unterstützt werden. Doch davon sind bislang wenig Details bekannt.
Zudem ist es auch ökologisch geboten, mehr zu sanieren und umzunutzen, als immer weiter neue Flächen zu versiegeln. Ökologisches Bauen und Sanieren und günstigen Wohnraum schaffen – darauf sollte sich die Bundesregierung in der Krise fokussieren.
SPD und Grüne konnten in den Koalitionsverhandlungen mit der FDP keinen Mietenstopp oder eine stärkere Mietenbegrenzung durchsetzen. Angesichts der Lage muss das dringend korrigiert werden – auch wenn das weiteren Streit in der Ampel bedeutet. Diesen Streit mit der FDP dürfen SPD und Grüne nicht scheuen.
Gegen die Wohnungsnot vorzugehen ist die gemeinsame Verantwortung der Bundesregierung. 2021 war schon jede zehnte Person in Deutschland mit Wohnkosten überlastet – noch bevor die Energiekosten explodiert sind. Wohnen ist kein Luxusgut, auf das man im Zweifel auch verzichten kann. Das Mindeste ist jetzt ein Kündigungsmoratorium, das dafür sorgt, dass in dieser Krise niemand seine Wohnung verliert.
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