Kommentar von Jan Kahlcke über den Erfolg der Linken in Hamburg: Noch ein paar Tage mit dem Genossen Trend
Man reibt sich in Hamburg verdutzt die Augen: 14,4 Prozent für Die Linke! Hat es so was schon mal gegeben? Nee, hat es nicht. Noch nie.
Und wie konnte das passieren? Darüber rätseln sie bei der Linken genauso wie überall sonst. Natürlich haben sie gerade das Momentum auf ihrer Seite. Natürlich haben sie das Glück, dass sich zwei historisch unbeliebte Kanzlerkandidaten duelliert haben. Und dass einer von beiden überdeutlich gemacht hat, warum es eine starke, kompromisslos antifaschistische Vertretung im Bundestag braucht.
Aber das Ergebnis zeigt eben auch das Potenzial für Die Linke. Nun darf man nicht den Fehler machen, von Bundestags- auf Landtagswahlen zu schließen. Aber es könnte gut sein, dass Genosse Trend noch ein paar Tage an der Seite der Hamburger Linken bleibt. Sie haben in Hamburg überdurchschnittlich zugelegt, sogar wenn man nur die Westländer zugrunde legt. Und unter diesen sind sie in Hamburg vom – nach Bremen – zweithöchsten Niveau aus gestartet. Es waren also keine tief hängenden Trauben, die sie geerntet haben. Sprich: Es ist nicht allein der Bundestrend.
Das hatte sich schon in den Umfragen zur Bürgerschaftswahl angekündigt, wo die Linke in ein paar Wochen von fünf auf zehn Prozent geklettert ist – mehr als sie jemals bei einer Bürgerschaftswahl geholt hat. Und es war in der Stadt zu spüren: Umjubelte Auftritte von Heidi Reichinnek und auch die ebenso angriffslustigen wie hanseatisch-gelassenen Fernsehauftritte des Parteichefs Jan van Aken haben mancher Mit-Hamburgerin aus der Seele gesprochen. Bundes- und Landespartei haben sich gegenseitig in ein euphorisches Hoch geschaukelt.
Der Talk in der Stadt hat sich gedreht. War vor ein paar Wochen die entscheidende Frage, ob eine Stimme für Die Linke verschenkt wäre, gibt es plötzlich Interesse sogar aus ganz fernen Milieus. Der Nachwahl-Kater beim in Hamburg heillos zerstrittenen BSW könnte ein übriges tun.
Ob die Wahl ihrer Spitzenkandidatin Cansu Özdemir in den Bundestag der Linken auf den letzten Metern noch schaden kann? Eher nicht, wäre ihr Abgang doch einer nach oben, also sichtbares Zeichen des Erfolges. Und die Leute lieben nun mal nichts so wie den Erfolg. Sogar Linke.
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