Kommentar von Gareth Joswig über den Schiri-Streik: Endlich mal parteiisch!
Als Arschloch vom Dienst kann man alle Rückendeckung gebrauchen. Deswegen ist es falsch, dass der Fußballverband den Streik verurteilt. Denn Schiedsrichter im Amateurbereich haben es nicht leicht: Sie müssen für eine marginale Aufwandsentschädigung in die entlegensten Winkel etwa Ostfrieslands reisen, um sich dort vor 500 Zuschauern bei der 0:3-Heimniederlage von Grün-Weiß Firrel gegen TuRa Westrhauderfehn zum Ei zu machen. Denn wann sind Zuschauer bei Niederlagen jemals mit der Schiri-Leistung einverstanden? Eben.
Dass der Schiedsrichter in besagter Partie angesichts eines offenbar ruppigen Spiels zehn gelbe und eine gelb-rote Karte zeigen musste, macht den Job nicht leichter. Und wenn dann noch ein Zuschauer drei Gegentore am Schiedsrichter festmachen will und deshalb vorschlägt, den Unparteiischen zu vergasen, kann einem schon mal die Lust am Ehrenamt vergehen. Zumal die Beleidigung nach dem sportgerichtlichen Streit folgenlos blieb. Zwar aus juristisch nachvollziehbaren Gründen, weil das Sportgericht kein schuldhaftes Verhalten beim Verein festgestellt hat. Aber die Resignation der Schiris ist dennoch verständlich: Hätten sie daraufhin nichts gemacht, wäre die Meldung auf den Sportseiten ostfriesischer Lokalzeitungen versickert.
Der Streik hat die nötige Aufmerksamkeit für Ausnahmesituationen erzeugt, in denen sich Schiedsrichter auf Amateurplätzen jeden Spieltag behaupten müssen. Ohne sie geht es nicht. Gut, dass die Schiedsrichter in ihrem Streik von ihrem Bezirksvorstand unterstützt wurden. Schlecht, dass der Präsident des Verbandes die Aktion verurteilt.
Diejenigen, die die Sportgerichtsbarkeit nicht respektieren, sind nicht die Unparteiischen, die in einer einmaligen Aktion gegen das aus ihrer Sicht falsche Urteil protestierten. Sondern die Choleriker-Väter bei E-Jugend-Spielen, die in ihrer Wut auf der Seitenlinie schäumen, weil der zwölfjährige Sohn von einem 16-jährigen Schiedsrichter im Abseits gesehen wurde, und deswegen auch weiterhin drohen, schlagen, spucken und treten.
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