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Kommentar von Daniel Baxzum Integrationsgesetz der Großen KoalitionDie AfD regiert schon mit

Die Bundesregierung sollte Angebote schaffen, statt Sanktionen auszuweiten

Für Flüchtlinge ist es egal, ob die AfD bald im Bundestag sitzt. Denn über die CSU und Teile der CDU regiert sie in Berlin jetzt schon mit. Die Angst vor den Rechtspopulisten führte auch teilweise die Feder beim sogenannten Integrationsgesetz, das die Bundesregierung jetzt vorgelegt hat. Dem Maßnahmenkatalog ist die Furcht anzumerken, den Rechtspopulisten bloß keine offene Flanke zu bieten.

Erstmals seit November traten Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel am Donnerstagmittag wieder gemeinsam vor die Presse. Der Schulterschluss soll suggerieren, dass der Koalitionskrach beigelegt und man sich grundsätzlich einig sei. Dabei wird die bewährte „Good cop, bad cop“-Arbeitsteilung genutzt, nach der der CDU-Innenminister die Folterinstrumente vorzeigt und die SPD-Arbeitsministerin für die Wohltaten verantwortlich zeichnet.

Das geplante „Integrationsgesetz“ sieht strenge Auflagen für anerkannte Flüchtlinge vor, was ihre Teilnahme an Sprach- und Integrationskursen und ihren Wohnsitz betrifft. Wer sich nicht daran hält, soll empfindlich bestraft werden; dieser Punkt ist aber noch umstritten. Einen dauerhaften Aufenthalt soll von den anerkannten Flüchtlingen nur erhalten, wer sich an alle Auflagen hält und Sprachkenntnisse, Arbeit oder Ausbildungsplatz nachweisen kann. Auf ein verpflichtendes Wertebekenntnis, das die CSU ursprünglich gefordert hatte, hat die Koalition jedoch verzichtet.

Die SPD hat durchgesetzt, dass Flüchtlinge leichter eine Ausbildung machen und schneller an Integrationskursen teilnehmen können. Die Vorrangprüfung wird für eine Probezeit von drei Jahren ausgesetzt, und bestehende Hürden bei der Leiharbeit sollen beseitigt werden.

Es bleibt das Problem, dass nicht genug Integrations- und Sprachkurse angeboten werden, um die Nachfrage zu stillen, und dass sie nicht allen offenstehen. Solange ihr Asylverfahren nicht abgeschlossen ist, dürfen afghanische oder somalische Flüchtlinge zum Beispiel gar nicht daran teilnehmen, und so sitzen sie viele Monate lang tatenlos herum.

Statt sich immer neue Sanktionen auszudenken, um angebliche „Integrationsverweigerer“ – von denen keiner weiß, ob und wie viele es wirklich gibt – in die Pflicht zu nehmen, sollte die Bundesregierung lieber mehr Angebote schaffen, um die Integration zu erleichtern. Sonst bleibt die Behauptung, man habe aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt, eine hohle Phrase. Denn es war nicht zuletzt die jahrelange Verweigerung eines sicheren Aufenthaltstitels und der Möglichkeit, die Sprache zu lernen und einer geregelten Arbeit nachzugehen, die zu jenen Desintegrationserscheinungen unter Flüchtlingen früherer Zeiten geführt haben, die wir heute beklagen.

Auch das neue „Integrationsgesetz“ könnte deshalb am Ende eher die Integration erschweren.

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