Kommentar von Benno Schirrmeister über niedersächsische Geheimnisjägerei: Im Land der Antidemokraten
Jetzt also die Wolfsabschussverordnungen: Es ist schon bemerkenswert, was die niedersächsische Landesregierung alles glaubt, geheim halten zu dürfen. Und es ist gut, dass die Grünen dagegen klagen.
Während moderne Bundesländer wie Hamburg maximale Transparenz hinsichtlich aller das Verwaltungshandeln steuernden Vorschriften pflegen und die Möglichkeiten der Bürger*innenbeteiligung ausweiten, fährt die von Stephan Weil (SPD) verantwortete Landesregierung direktdemokratische Beteiligungsverfahren zurück. Sie verheimlicht Erlasse, mit denen das Justizministerium festlegen will, wie die Gerichte unter Pandemiebedingungen den Geschäftsablauf zu organisieren hätten. Und jetzt setzt sie eben auch darauf, die Regeln, nach denen Jäger*innen Wölfe abknallen dürfen, unter Verschluss zu halten.
Das Staatsrecht bezeichnet dies als Regierungspraxis der arcana imperii, ein Ausdruck, der als Staatsgeheimnis nur unzulänglich wiedergegeben ist. Dass der richtige Begriff für sie lateinisch ist, hat einen Grund. Sie gehört nämlich einer außerhalb von Niedersachsen vergangenen Zeit an, in denen sich Regierungen für etwas besseres hielten als ihr Volk und der Rechtsstaat nur ein fast utopischer Traum war.
Nein, selbstverständlich ist Niedersachsen keine Diktatur: Es ist ein Rechtsstaat, in dem der Staatsgerichtshof dafür sorgen wird, dass nur jene Informationen geheim gehalten werden, deren Preisgabe das Funktionieren der Verwaltung sabotieren und den Bestand des Landes gefährden würden. Wozu Regeln, unter welchen Bedingungen ein Wolf erschossen werden darf, niemals gehören können.
Aber: Republik ist charakterisiert durch öffentliche Kontrolle der Macht und die freie Meinungsbildung, so hat es der bedeutende antifaschistische Staatsrechtslehrer Norberto Bobbio einst formuliert. Wer beides behindert, wie es auch Niedersachsens Landesregierung fraglos tut, der fährt einen Kurs autoritärer Politik. Die muss als antidemokratisch gelten.
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