Kommentar von Barbara Dribbusch zum Trisomie-21-Bluttest: Es gibt hier kein Richtig oder Falsch
Der Bluttest ist schon länger auf dem Markt, jede Schwangere kann ihn machen, für 130 Euro. Doch erst jetzt kommt der Aufschrei, weil der Gemeinsame Bundesausschuss aus Vertretern der Ärzte und Krankenkassen entschieden hat, den Praena-Test, eine nichtinvasive Untersuchung zur Früherkennung von Trisomie 21, von der Kasse bezahlen zu lassen, jedoch nur bei Risikoschwangeren. Das ist durchaus okay. „Diskriminierung, Selektion, Aussortieren !“, protestieren aber die Behindertenverbände.
Es hilft aber nicht, Gräben weiter aufzureißen, man muss versuchen, sie zuzuschütten. Wenn Eltern sich für den Test entscheiden und bei einem positiven Ergebnis eine Schwangerschaft abbrechen, weil sie sich einem Leben mit einem Kind mit Trisomie 21 nicht gewachsen fühlen, dann ist das ein Trauma, lebenslang. Diesen Eltern „Selektion“ vorzuwerfen, sie indirekt verantwortlich zu machen für die Diskriminierung und Exklusion von Behinderten, das ist nicht fair.
Nichtsdestotrotz haben die Behindertenverbände natürlich recht, wenn sie den wachsenden „Rechtfertigungsdruck“ auf Familien mit einem behinderten Kind beklagen, der durch die neuen pränatalen Untersuchungen entsteht: diese unverschämten Bemerkungen auf Spielplätzen angesichts eines Kindes mit Trisomie 21, ob man „so etwas“ nicht hätte verhindern können.
Schuldzuweisungen an Familien mit Behinderten waren historisch gesehen immer ein Versuch der sogenannten Normalen, jede Abweichung weit von sich zu weisen. Dieser Versuch wird scheitern, zum Glück, erst recht in einer alternden Gesellschaft. Wir alle müssen uns mit geistigen Einschränkungen, Demenz, Seh- und Hörverlusten, Gehbehinderung auseinandersetzen – vielleicht irgendwann sogar durch einen Blick in den Spiegel. Soziale Kompetenz im Umgang mit Abweichungen, mit Einschränkungen sollte daher normal werden. Zur Kommunikation der Eltern untereinander auf einem Spielplatz gehören nicht hirnlose Sprüche, sondern interessiertes Nachfragen, was ein Kind mit Trisomie 21 kann und was nicht, welche Beeinträchtigungen es hat und welche nicht, zum Beispiel.
Genauso wenig, wie man Menschen mit Behinderungen und deren Familien diskriminieren darf, so wenig sollte man aber auch Eltern herabsetzen dürfen, die den Test in Anspruch nehmen. Es muss alles möglich und akzeptiert sein: Eltern, die erst gar keine Tests machen; Eltern, die mit einem Kind mit Behinderung ein glückliches Familienleben haben; Eltern, die sich für einen Test entscheiden und sich mit den Konsequenzen auseinandersetzen müssen. Das Unglück kann überall wohnen. Und das Glück auch.
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