Kommentar von Antje Lang-Lendorff zur Enteignung von Immobilienfirmen: Müller nimmt Druck ausder Debatte
Antje Lang-Lendorff ist Leiterin der Berlinredaktion.
Wie hältst du’s mit der Enteignung großer Immobilienkonzerne? Auf diese Gretchenfrage der aktuellen Berliner Wohnungspolitik antwortete Michael Müller (SPD) noch im Januar eher ausweichend, Enteignung sei für ihn nur der „dritte, vierte oder fünfte Schritt“. Jetzt hat er sich festgelegt: Der FAZ sagte Müller, er sehe die Initiative „Deutsche Wohnen enteignen“ sehr kritisch. „Das ist nicht mein Weg und nicht meine Politik.“
Die klare Ablehnung überrascht nicht wirklich, schließlich neigt der Regierende Bürgermeister auch sonst nicht zu radikaleren linken Positionen. Bedauerlich ist die Festlegung trotzdem. Denn Müller nimmt damit ein Stück weit den Druck aus der Debatte.
Allein die Möglichkeit, dass es nach einem Volksentscheid tatsächlich zu einer Enteignung von Konzernen kommen könnte, hat in den letzten Monaten einiges bewegt. Grundsätzliche staatliche Eingriffe wurden wieder vorstellbar. Eine Mehrheit der BerlinerInnen befürwortet laut Umfrage das Anliegen der Initiative, was auch als Hilferuf zu verstehen ist. Viele denken: Wenn die Politik keinen anderen wirksamen Weg findet, die Mietenexplosion zu stoppen, dann muss man den Firmen die Wohnungen eben wegnehmen.
Kein Wunder, dass Vertreter der Immobilienwirtschaft nervös wurden. Und auch Michael Müller selbst reagierte auf die Kampagne gegen die Deutsche Wohnen, als er sich im Januar plötzlich für den Rückkauf von 60.000 ehemaligen landeseigenen Wohnungen aussprach, die heute dem verpönten Konzern gehören. Enteignungen als Ultima Ratio nicht auszuschließen wäre auch für diese Verhandlungen durchaus hilfreich gewesen.
Paradoxerweise tut Müller der Initiative mit seiner Festlegung am Ende vielleicht sogar einen Gefallen. Schon beim Tempelhofer Feld stimmten viele nicht nur gegen eine Bebauung, sondern vor allem gegen den Senat. Kommt es zum Entscheid, dürfte ein Gegner im Roten Rathaus die Menschen eher noch mobilisieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen