Kommentar verhinderte Abschiebungen: Das ist kein Missbrauch
Wenn Geflüchtete ein medizinisches Gutachten vorlegen, das zeigt, dass sie reiseunfähig sind, ist das schlicht ihr gutes Recht, kein Skandal.
Nachts dringen Polizisten in die Wohnung ein, reißen die Familie aus dem Schlaf, eilig sollen Koffer gepackt werden. Für die Menschen, die da in den Flieger gesetzt werden sollen, bedeutet die drohende Abschiebung eine emotionale Ausnahmesituation. Eine Herzattacke ist da auch ohne Vorerkrankung vorstellbar. Und dass Menschen, die die Grausamkeiten eines Krieges erlebt haben, eine posttraumatische Belastungsstörung haben können, erklärt sich von selbst.
Der Bürgermeister der Stadt Celle, Jörg Nigge, sagt, er halte sich nur an die Fakten. Zwischen den Zeilen schwingt in der Antwort seiner Verwaltung aber der Verdacht mit, Geflüchtete würden bewusst ihre Abschiebung verhindern. Sich an die Härtefallkommission zu wenden, ein medizinisches Gutachten vorzulegen oder darauf zu bestehen, nicht durch eine Abschiebung von der Familie getrennt zu werden, ist aber schlicht das Recht von Geflüchteten. Es ist kein Missbrauch.
Nur in acht Fällen in Celle scheitert die Abschiebung daran, dass die Geflüchteten keinen Pass haben. Und auch das muss nicht zwingend ein bewusstes Verschulden der Geflüchteten sein.
Wenn Nigge sagt, er findet, dass die 98 Menschen aus Celle unverzüglich abgeschoben werden müssten, zeigt das seinen Mangel an Empathie. Natürlich ist es für Kommunen kostspielig und sicher lästig, wenn sie Geflüchtete nicht abschieben können, obwohl sie ausreisepflichtig sind. Was aber bedeutet es für die Betroffenen?
Debatten wie die in Celle verschärfen den politischen Diskurs. 98 Menschen ausreisepflichtig, trotzdem keine Abschiebungen – das klingt skandalös. Nigge sollte es besser wissen. Und mehr noch: Er sollte sich als Verwaltungschef darüber freuen, dass in einem Rechtsstaat (fast) kein Mensch in einen Flieger gesetzt wird, wenn legitime Gründe gegen eine Abschiebung sprechen.
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