Kommentar unsozialer Wohnungsbau: Schluss mit der Politik für Investoren
Die Verlängerung der Sozialbindung für bezahlbaren Wohnraum in Hamburg ist richtig – kommt aber so spät, dass sie nicht mehr ausreicht. Die Befristung muss weg.
Der rot-grüne Hamburger Senat verlängert die Bindungsfrist für Sozialwohnungen um fünf Jahre. Für Sozial-Neubauten gilt ab jetzt, dass sie 20 Jahre lang als Sozialwohnungen erhalten bleiben, bevor sie auf den freien Mietmarkt kommen. Die Wohnungen der städtischen Wohnungsgesellschaft Saga sollen künftig 30 Jahre lang der Sozialbindung unterliegen.
Einerseits ist es natürlich ein richtiger Schritt, die Sozialbindung für Wohnungen zu verlängern. Andererseits ist eine Verlängerung um fünf Jahre auch nur eine Verlängerung der Galgenfrist. Danach landen Mieter*innen mit geringen und mittleren Einkommen im Haifischbecken des wilden Mietmarkts. Wer weiß, dass in fünf Jahren die Sozialbindung ausläuft, kann jetzt schon mal anfangen, zu suchen – viel Glück, ciao, man sieht sich in Schleswig-Holstein.
Die Idee, Sozialwohnungen zu befristen, dient nur dem Profitinteresse der Investor*innen – ein ernst gemeinter Versuch, den Mietmarkt zu entspannen, müsste viel weiter gehen. Dass es heute zu wenige Sozialwohnungen gibt, liegt daran, dass die Befristung von ehemals 30 Jahren auf 15 verkürzt wurde. Das rückgängig zu machen, ist überfällig. Nur hat sich der Markt mittlerweile so zugespitzt, dass es nicht mehr reicht.
Denn anstatt es als zentrales Anliegen zu betrachten, die Stadtbewohner*innen mit Wohnraum auszustatten und den Mietmarkt selbst in die Hand zu nehmen, überlässt die Politik das Thema den privaten Investor*innen. Damit diese wenigstens ein Drittel Sozialwohnungen bauen, macht der Senat ihnen den sozialen Wohnungsbau so schmackhaft wie möglich. Für die Wirtschaft geht die Rechnung auf, denn es ist höchst rentabel: Die Bauherren bekommen günstige und abgesicherte Kredite von staatlichen Förderbanken, sie dürfen subventioniert bauen.
Im Tausch müssen sie für einen kurzen Zeitraum – denn so ein Haus wird ja alt – auf eine maximale Rendite verzichten. Dafür schlagen sie hinterher mächtig zu. Staffelmieten, bei denen die Mieter*innen nach Ablauf der Sozialbindung plötzlich Mondpreise bezahlen, sind erlaubt und laut dem Mieterverein Mieter helfen Mietern keine Einzelfälle. Die Mieter*innen wiederum unterschreiben alles – sie sind dem Markt ja ausgeliefert.
Anstatt dass der Staat Geld in den Bau von Wohnungen buttert, mit dem sich Privatinvestoren eine goldene Nase verdienen, wäre ein komplettes Umsteuern der Politik vonnöten. Hamburg braucht keine einzige neue Wohnung, deren Mietpreis über dem Sozialsatz liegt. Befristungen braucht auch niemand. Aber dafür müsste die Politik Wohnen als Grundrecht begreifen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag