Kommentar rot-grüne Opposition: Rot-Grün regiert durch
Wie die Opposition die Regierung im Moment vor sich hertreibt, beweist die Bundestagsdebatte zum EFSF. Doch Rot-Grün geraten so in eine Zwickmühle.
W er regiert eigentlich Deutschland in der europäischen Krise? Mit Recht darf man sich fragen, ob dies noch Schwarz-Gelb tut oder ob nicht längst Rot-Grün übernommen hat; denn wenn heute die Koalitionsspitzen im Parlament für einen schlagkräftigeren Rettungsschirm, also ein Hebelmodell, werben, dann tun sie dies im Wissen, dass sie eine solche Lösung noch vor vier Wochen als Spekulation abgetan haben. Wieder einmal hat die Realität das schwarz-gelbe Krisenmanagement widerlegt, SPD und Grüne haben Recht behalten.
Wie die Opposition die Regierung im Moment vor sich hertreibt, beweist nicht zuletzt die Tatsache, dass heute der ganze Bundestag den Rettungsschirm-Hebel diskutiert. Es ist ein beachtlicher Sieg, dass die Koalition ihre Weigerung, das Thema öffentlich zu diskutieren, nicht durchhalten konnte. Gleichzeitig geraten SPD und Grüne mit ihren Erfolgen in eine - sehr komfortable - Zwickmühle.
Es verwässert das Profil, wenn die Koalition eigene Ansätze mit ein paar Wochen Verzögerung okkupiert - und im Brustton der Überzeugung behauptet, sie habe diese schon immer toll gefunden. Sollten also SPD und Grüne ihr Ja nicht besser verweigern, sich etwa enthalten, weil Schwarz-Gelb Besserverdienende an den Krisenkosten nicht ordentlich beteiligt?
ist Leiter des Parlamentsbüros der taz.
Die Antwort lautet: Eine solche Haltung wäre inkonsequent und unpolitisch. Denn damit hätte die Opposition vielleicht eine Profilneurose ausgelebt, aber keine Verantwortung übernommen. Zur Abstimmung stehen Maßnahmen, die beide Parteien für existenziell halten, um Europa zu retten. Es würde keinem Wähler einleuchten, wenn sie nun ihre Zustimmung verweigerten. Deshalb ist das sich abzeichnende Ja richtig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Biden hebt 37 Todesurteile auf
In Haftstrafen umgewandelt
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten
Analyse der US-Wahl
Illiberalismus zeigt sein autoritäres Gesicht