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Kommentar deutsch-französischer GipfelEin Vorsitzender, subito!

Rudolf Balmer
Kommentar von Rudolf Balmer

Ein Eurogruppen-Chef muss her, fordern Merkel und Hollande. Frankreich und Deutschland wollen ein Zeichen gegen die schwindende EU-Autorität setzen.

W o zwei, 17 oder 27 sich streiten, muss ein Chef her. Das war die Botschaft vom Treffen zwischen Angela Merkel und François Hollande in Paris. Die beiden wissen wovon sie sprechen, da sie seit Hollandes Amtsantritt größte Mühe haben, sich auf etwas zu einigen und in der EU am selben Strick in dieselbe Richtung zu ziehen.

Sie wissen auch, dass das Autoritätsdefizit der EU einer der Gründe der schwindenden Begeisterung für die europäische Integration und die Zunahme populistischer Ablehnung in zahlreichen Mitgliedsländern ist.

Damit aber die immer wieder geforderte verstärkte wirtschaftspolitische Koordination der EU oder wenigstens der Euro-Gruppe nicht ein frommer Wunsch bleibt, soll ein Vollzeit-Vorsitzender mit echten Kompetenzen eingesetzt werden. Und wenn möglich soll diese aufgerüstete Euro-Gruppe auch ein Budget für den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, vor allem der Jugendarbeitslosigkeit, erhalten.

Bild: Wolfgang Borrs
Rudolf Balmer

ist Frankreich-Korrespondent der taz.

Der Vorschlag geht nun per Post an die anderen Partner. Paris und Berlin haben mit diesem Minimalkonsens trotz reeller politischer Meinungsverschiedenheiten den Schein einer gemeinsamen Initiative gewahrt.

Noch sehr vage bleibt jedoch der Inhalt des an Januar angekündigten „gemeinsamen Beitrags“ zuhanden des EU-Gipfels Ende Juni. Merkel und Hollande verwiesen je auf die Empfehlungen der beiden Industriellen Cromme und Beffa, ohne sich damit wirklich zu identifizieren. Beide pickten sich ihre Lieblingsthemen heraus: Hollande die Energiepolitik, Merkel den Arbeitsmarkt. Man hatte doch etwas mehr erwartet.

Der französische Präsident nutzte die Anwesenheit deutscher Medien an der Pressekonferenz, um klarzumachen, dass er sich von den CDU/CSU- und FDP-Politikern, die ihn als „Sorgenkind“ Europas betrachten, nicht auf die Füße treten lassen will. Wie er da vor Merkel auf seiner Souveränität bei der Umsetzung der Haushaltsdisziplin, der Wahl der erforderlichen Reformen und seiner Methode pochte, dürfte zumindest bei seinen Landsleuten angekommen sein.

Der etwas anfänglich zur Schau gestellten Eintracht und der Annäherung mit Merkel war dieses Plädoyer wohl weniger förderlich.

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Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
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7 Kommentare

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  • V
    vic

    Ein(e) EU-Vorsitzende® solls also werden.

    Weil Merkel das so will?

    Bitte nicht.

  • H
    Hasso

    "Noch einen Hund mehr, in einem Haufen toller Hunde"? ,,Schafft das Lobbykratentum ab, dann bekommt ihr auch ein sauberes Europa!" Nach welchen Kriterien soll denn ein vereintes Europa funktionieren-, nach deutschen Kriterien oder nach Konkordia? Kohl wollte doch ein Europa für Deutschland.Deutschland erging es immer schlechter-, jetzt geht es den anderen schlechter und das wird sich auch auf Deutschland auswirken. Im Endeffekt wird nichs erreicht worden sein.

  • T
    Thomas

    Einen hauptamtlichen Eurogruppenchef soll es also geben, aber mit welchen Kompetenzen? Präsident Hollande hat doch gerade erst die an Frankreich gerichteten Reformforderungen der EU-Kommission als Einmischung scharf kritisiert und klar gestellt: Frankreich ist ein souveräner Staat, der über seine Wirtschafts- und Finanzpolitik und die Höhe seiner Kreditaufnahme selbst bestimmt. Gegen eine gemeinsame Schuldenhaftung innerhalb der Eurozone (Eurobonds) hat Hollande natürlich keine Bedenken. Die Bundeskanzlerin lehnt dagegen eine Haftung für Schulden anderer Länder ab - zumindest bis zum 22. September.

  • DB
    Detlef Bosau

    Einen unsinnigeren Kommentar habe ich selten gelesen.

     

    Es gibt in Europa genau ein einziges Problem. Allgmein gesprochen: Deutschland. Speziell gesprochen: Merkel.

     

    Und solange diese Frau meint, ein Land wäre die Summe seiner Betriebswirte und aufsummierte Betriebswirtschaft sei Volkswirtschaft und mit ihrer Austeritätspolitik und ihrem "Merkelantismus", wie man den Merkantilismus mittlerweile verspottet, Europa von einer Krise in die nächste manövrieren können, und sich weigert, Rat und Vernunft anzunehmen, hilft da auch kein "großer Bruder".

     

    Schuld ist nicht die fehlende Koordination, Schuld ist Deutschlands falsche Politik.

  • H
    hschweizer

    Weil ja das System EU eh schon (mal politisch korrekt vorsichtig gesagt) demokratische Defizite aufweist, machen wir doch gleich eine absolutistische Diktatur draus. Wie wärs mit gleichzeitiger Namensänderung auf €Ud$$R?

  • H
    Herbert

    Ich denke eher, dass der Spaltpilz Euro und die ständigen Rechtsbrüche bei den Eurorettungen das Projekt Europa nachtaltig beschädigt haben. Ein neue Spitzenfunktion (bestimmt wieder ein Franzose oder ein südländer) nutzt da nichts.

  • K
    kassandro

    "Sie wissen auch, dass das Autoritätsdefizit der EU einer der Gründe der schwindenden Begeisterung für die europäische Integration und die Zunahme populistischer Ablehnung in zahlreichen Mitgliedsländern ist."

     

    Also , Herr Balmer , ... eigentlich kann eine Begeisterung nur schwinden , wenn sie vorher schon mal da war . Letzteres ist eine durch nichts gedeckte , aber "populäre" Unterstellung bei EU-Politikern .

    Und : "Zunahme populistischer(!) Ablehnung" ist nicht nur sprachschlampig , sondern eine Frechheit . Die Ablehnung ist "popu l ä r" , weil sie von Millionen EU-Bürgern geteilt wird , nicht weil sie von irgendwelchen "Populisten" den Bürgern "verkauft" , "angedreht" wurde / wird .