piwik no script img

Kommentar christdemokratische Islam-AngstVom Nichtschwimmer zum heiligen Krieg

Jan Kahlcke
Kommentar von Jan Kahlcke

Mit ihrer Phrase „Generation Allah“ greift die CDU die an Stammtischen populäre Verwechslung von Islam und Islamismus auf. Ein Versehen ist unwahrscheinlich

Besucher willkommen: Tag der offenen Moschee in Hamburg Foto: Daniel Reinhardt/dpa

D ie Hamburger CDU will also der „Generation Allah entgegenwirken“. Geht’s noch? Was bitte soll das denn sein, die „Generation Allah“?

Was die CDU meint, ist ein islamistisches Milieu, das sich der Integration bewusst verweigert. Die Forderung, dem „entgegenzuwirken“ ist zwar insofern eine populistische Plattitüde, als das an Hamburger Schulen längst – wenn auch nicht immer erfolgreiche – Praxis ist. Falsch wird die Forderung dadurch aber nicht. Natürlich müssen die Schulen alles tun, damit Kinder das komplette Rüstzeug bekommen, das sie in dieser Gesellschaft brauchen – inklusive der Fähigkeit, sich buchstäblich über Wasser zu halten.

Das pauschale Etikett „Generation Allah“ allerdings hat das Zeug zur rassistischen Stigmatisierung. Es greift die an den Stammtischen etablierte Verwechslung von Islam und Islamismus auf. Muslim gleich Islamist gleich Terrorist.

Bei der CDU haben sie einen Buchtitel gelesen, wahrscheinlich nicht viel mehr, und ihn sich umstandslos zu eigen gemacht. Praktischerweise ist der Autor Ahmad Mansour arabischer Herkunft und somit über jeden Verdacht des antimuslimischen Ressentiments erhaben. Sein Konzept der „Generation Allah“ als Nährboden für salafistische Gewalt ist aber in der Fachwelt umstritten: Empirisch zeigt sich, dass viele der jungen Dschihadisten aus eher weltlich geprägten Familien kommen oder gar keinen muslimischen Hintergrund haben.

Im Titel eines Parlamentsantrags zur Integration wirkt das negativ konnotierte Schlagwort von der „Generation Allah“ ausgrenzend – gegen alle Muslime. Die Botschaft ist: Lasst das einfach mit eurem Gott, dann klappt’s auch mit der Integration. Dass das ein unbedachter Lapsus gewesen sein soll, klingt in Zeiten, in denen die CDU schmerzhafte Konkurrenz durch eine Anti-Islam-Partei erlebt, wie ein Märchen aus tausendundeiner Fraktionssitzung.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Jan Kahlcke
Redaktionsleiter
Jan Kahlcke, war von 1999 bis 2003 erst Volontär und dann Redakteur bei der taz bremen, danach freier Journalist. 2006 kehrte er als Redaktionsleiter zur taz nord in Hamburg zurück
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!