Kommentar bilinguales Saarland: Vom Plümmo auf dem Troddwa
Durch die angestrebte Zweisprachigkeit könnte das Saarland zum Scharnier zwischen den Nationen werden. Das ist im Interesse der europäischen Idee.
K napp 57 Jahre nach der „kleinen Wiederveinigung“ des nach dem Zweiten Weltkrieg „autonomen“ französischen Protekorats mit der Bundesrepublik Deutschland will sich das Saarland wieder nach Westen orientieren – und bis 2043 das erste und wohl einzige offiziell zweisprachige Bundesland werden. Zu diesem strategischen Schritt kann man der schwarz-roten Landesregierung unter Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) nur gratulieren.
Nicht nur haben sich in der Alltagssprache im Südwesten zahlreiche französische Begriffe gehalten – vom „Plümmo“ für Bettbezug bis zum „Troddwa“ für den Gehsteig. Auch ist es von Saarbrücken bis nach Paris nur ein Abstecher, bis Berlin dagegen eine halbe Weltreise. Vor allem aber sind die ohnehin engen wirtschaftlichen Verbindungen mit dem großen Nachbarn essenziell für das hoch verschuldete kleine Bundesland. Die Maßnahmen werden das Saarland in ein Scharnier zwischen den beiden wichtigsten europäischen Nationen verwandeln.
Dies dient auch der oft beschworenen, aber nur selten fruchtbar gemachten „amitié franco-allemande“. Es war höchste Zeit, den Beteuerungen dieser Freundschaft gerade auf regionaler Ebene endlich Taten folgen zu lassen. Jeder Einigung geht ein gegenseitiges Verständnis voraus.
Deshalb ist ein intensivierter Austausch zwischen Deutschland und Frankreich auch auf kultureller Ebene im Interesse der europäischen Idee – ebenfalls ein schöner Gedanke auf einem Papier irgendwo in Brüssel, aber allzu selten für die Bürgerinnen und Bürger wirklich mit Leben gefüllt und positiv erfahrbar gemacht.
Wer im Saarland aufwächst, wird die Vorteile von Europa künftig mit Händen greifen können. Und eines Tages wird es hoffentlich selbstverständlich sein, neben Deutsch in Schleswig Dänisch, in Brandenburg Polnisch, am Niederrhein Niederländisch und in Sachsen sowie im bayerischen Wald Tschechisch zu sprechen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen