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Kommentar Zustand der BundeswehrDie wahren Mängel liegen woanders

Tobias Schulze
Kommentar von Tobias Schulze

Der Wehrbeauftragte bemängelt die Ausrüstung der Bundeswehr. Dabei lässt er etwas Wichtiges unbeachtet: den Umgang in der Truppe.

Alles in bester Ordnung? Bei der Bundeswehr gibt es Probleme mit Menschenverachtung und Schikane Foto: reuters

B ei der Vorstellung seines Jahresberichts hat der Wehrbeauftragte des Bundestags am Mittwoch die Ausrüstungsmängel der Bundeswehr in den Vordergrund gestellt. Kaputte U-Boote und fehlende Schutzwesten dominieren entsprechend die Berichterstattung. Ein zweites großes Problemfeld, dem sich der Bericht widmet, bleibt dagegen im Schatten: Schikanen gegenüber Untergebenen, Schindereien in der Ausbildung und menschenverachtende Sprüche.

Dutzende solcher Fälle lagen im vergangenen Jahr auf dem Schreibtisch des Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels (SPD). Wir können von ihnen nicht auf jeden einzelnen Soldaten schließen. In einer Armee, die dem Grundgesetz verpflichtet ist und deren Angehörige Zugang zu Waffen und Munition haben, ist aber jeder dieser Fälle einer zu viel.

Umso erfreulicher, dass die Sensibilität innerhalb der Bundeswehr gestiegen ist: Bartels zufolge haben Soldaten unter anderem im Bereich „extremistische Gesinnung vermehrt Verdachtsfälle gemeldet“. Er führt das auf die öffentliche Debatte zurück, die Fälle wie der des rechtsextremen Bundeswehrsoldaten Franco A. ausgelöst haben.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte die Truppe damals für den Umgang mit solchen Fällen kritisiert. Vermutlich trauten sich Soldaten im vergangenen Jahr nur deshalb so häufig, Fälle von Belästigung, Rechtsextremismus und Schindereien zu melden, weil die Ministerin selbst die Missstände zuvor offensiv thematisiert hatte.

Schikanen und Diskriminierung

Fatalerweise wurde sie für ihren Kurs aber aus Bundeswehr und Politik heftig angegangen. Seit dem Sommer ist sie deshalb auffallend still. Den Fall eines Rekruten aus Munster zum Beispiel, der nach einem Übungsmarsch an einem Hitzeschlag starb, kommentierte die Verteidigungsministerin nur noch sehr zurückhaltend.

Der Wehrbeauftragte lobt die neue Zurückhaltung als „erkennbares Interesse und Bemühen in der politischen Leitung, an der Vertrauensbasis in der Truppe zu arbeiten“. Dahinter verbirgt sich aber ein schwieriges Rollenverständnis: Zur Truppe gehören auch diejenigen Soldaten, die von Schikanen und Diskriminierung betroffen sind. Etliche von ihnen haben sich im vergangenen Jahr an Vorgesetzte und an den Wehrbeauftragten gewandt, weil sie ein Interesse daran haben, dass entsprechende Vorfälle abgestellt werden.

Auch sie müssen der Verteidigungsministerin vertrauen können. Dazu muss sie aber auch in Zukunft wieder klar benennen, was in der Bundeswehr geht und was nicht – auch auf die Gefahr hin, dass sie aus der Armee selbst, aus dem Bundestag und vom sozialdemokratischen Wehrbeauftragten Gegenwind bekommt.

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Tobias Schulze
Parlamentskorrespondent
Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.
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21 Kommentare

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  • Wenn doch sowiso kaum was vom Kriegsgerät funktionert, der Investitionsstau zu hoch ist, die Moral der Truppe schlecht ist und die Bundeswehr ehrlicherweise nicht im geringsten in der Lage wäre Deutschland gegen Frankreich zu verteidigen, dann wärs das beste sie in der heutigen Form einfach abzuschaffen. Ähnlich wie die Polizei.



    Man könnte ne humanitäre Truppe aufbauen, die der Befölkerung dient.



    Die zb. bei Überschwemmungen, Dürren, Waldbränden, Hungersnöten,



    Wirbelstürmen und Wasserknappheiten, Meerwasser entsalzungsanlagen, Krankenheuser, Schulen, aufbaut und Lebensmittel verteilt. Da würde sich der einzelne Soldat auch wertgeschetzter fühlen und hätte endlich mal was sinnvolles zu tun. Denn so viele Steuergälder dort versickern, dass kann sich keiner vorstellen-Geld dass an anderer Stelle fehlt um die geselltschaftlichen und umweltpolitischen Probleme dieser Zeit zu lösen

  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Ein guter Kommentar - leider einseitig und nicht themenumfassend.

    Wie die Menschen in der "Organisation" Bundeswehr so miteinander umgehen wissen wir jetzt. So wie im Rest der Gesellschaft. Das ist nicht sehr schön, beruhigt aber, weil die Bundeswehr dadurch keine unkontrollierbare Subkultur ist.

    Außer Acht gelassen wird der sich über Jahre hinziehende Investitionsstau, der nicht gerade soldatisch motivierend wirkt und die sich ebenfalls seit Jahrzehnten offenbarende Unfähigkeit der Materialbeschaffung. Zugegeben: Einen Hubschrauber zu kaufen ist bedeutent komplexer als eine Outdoorwinterjacke. Aber selbst das klappt ja nicht. Und wenn Munition erst nachbestellt wird, wenn die vorhandene verbraucht ist -spich: verschossen - na dann ...

    Das alles fehlt im Kommentar angereichert mit der Spitze, dass die Bundeswehr innerhalb des Staatsapperates die wohl effektivste Steuervernichtungswaffe ist, die die Regierung zu bieten hat. Das hat die zuständige Ministerin zu vertreten.

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Rat für die Bundeswehr.

    Krieg und wie er wirklich funktioniert und daß Krieg auf jeden Fall geht, wenn man nur will.

     

    Die USA haben nach einem schwierigen Unfall 9/11 versehentlich Afghanistan mit seinen 30 Mio Einwohnern bombardiert. Die Attentäter stammten vorwiegend aus Saudi-Arabien (Entfernung 2500 km).

    Danach nochmal ein kleiner Fehlgriff im Irak, wo dann Husseins Körper im Meer bestattet wurde, daß ihn niemand findet.

    Hollande hatte noch in der gleichen Nacht des Nizzaattentats versehentlich Syrien mit Drohnen bombardiert, obwohl der Attentäter mutmaßlich Marokkaner war.

    Frau v.d.L. war hocherfreut über die Gnade, daß Obama sich über die deutschen Awacs sehr freute und ihr ein freundliches Lächeln zurückschickte, wofür sie immer schon sehr empfänglich war.

    Also, geht doch, wenn man will!

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Ich finde, daß wir uns erstmal um einen richtigen Feind umschauen sollten. Weil sonst klappt das mit der Motivation, mit der Ausrüstung, mit der Haltung der Soldaten nicht so richtig. Der heutige Soldat weiß ja gar nicht: Soll er auf die Chinesen oder den Russen böse sein oder auf den Amerikaner, auf die Leute in Mali, auf die Engländer oder auf die Afghanen.

    Wo kein Feind ist, da gedeiht auch kein Krieg und wo kein Krieg ist, da gedeiht die Wirtschaft nicht.

    (Gabriel weiß, wovon ich spreche).

    • @4932 (Profil gelöscht):

      Gratuliere. Sie haben es geschafft das geringste aller Probleme militärischer Planung zu entdecken und es zum obersten zu erklären

  • Deutschland exportiert lieber nach Saudi Arabien oder die Türkei, als die eigene Truppe zu versorgen...

  • Ach ja klar, unsere Soldaten ein wenig guten Zuspruch leisten, und schon schwupp, haben wir Gerät und Waffen um unser Land vor Agressoren wie Putin zu schützen, ja ne, is klar

  • "Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte die Truppe damals für den Umgang mit solchen Fällen kritisiert."

     

    "Fatalerweise wurde sie für ihren Kurs aber aus Bundeswehr und Politik heftig angegangen."

     

    Stimmt. Aber sie wurde vor allem angegangen, weil sich nur schnell aus der Kritiklinie bringen wollte. Eben echt Selbstverteidigungsministerin.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      ... weil SIE sich schnell ...

      Ansonsten Zustimmung.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Ich frage mich ernsthaft wie es möglich ist eine offensichtlich vollkommen ungeeignete Verteidigungsministerin als NATO-Oberbefehlshabende vorzuschlagen...

      • 4G
        4932 (Profil gelöscht)
        @Der Mann, der unter einen Stein hervorkroch:

        Es gibt so Posten, wo jemand weniger stört, als auf anderen Posten.

        Und hat Flintenuschi nicht immer ein gewinnendes und strahlendes Lächeln für die Kameras im Gesicht, wenn sie zwischen hübschen Offizieren steht?

      • @Der Mann, der unter einen Stein hervorkroch:

        Weil sich qualifiziert, wer seine Soldaten in Möglichst viele Auslandseinsätze schickt. Einen Bundespräsidenten qualifiziert, wenn man Renten kürzt oder HartzIV-Sanktionen erfindet und durchsetzt (Steinmeier) - unbeschadet der Tatsache, daß er ohne Not und Sachgrund einen Deutschen Staatsbürger im US-Folterknast verrotten ließ. Zum Innen- und Finanzminister qualifiziert sich, wer Geldkoffer schmuggelt, zum Bayrischen Verkehrsminister, wer besoffen Leute tot fährt.

        Das zeigt unsere wahren Werte viel anschaulicher als alle Sonntagsreden.

        Und da paßt eine Verteidigungsminsiterin, die ständig von Deutschlands Verantwortung in der Welt redet, aber nie von ihrer eigenen, doch hervorragend ins Schema.

      • @Der Mann, der unter einen Stein hervorkroch:

        Bis jetzt ist es ja nur ein Gerücht. Aber damit hätte man eine mögliche Konkurrentin von AKK elegant entsorgt...

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Sie haben Recht. Sowohl im Bezug auf das Gerücht wie auf AKK.

           

          ABER

           

          Wir befinden uns am Rand eines neuen kalten Krieges.

           

          In dieser Situation sollte noch nicht einmal das Gerücht die Runde machen können, daß eine so ausgewiese Versagerverteidigungsministerin wie "Flinten Uschi" NATO Oberbefehlshaber werden könnte...

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Sie haben Recht. Sowohl im Bezug auf das Gerücht wie auf AKK.

           

          ABER

           

          Wir befinden uns am Rand eines neuen kalten Krieges.

           

          In dieser Situation sollte noch nicht einmal das Gerücht die Runde machen können, daß eine so ausgewiese Versagerverteidigungsministerin wie "Flinten Uschi" NATO Oberbefehlshaber werden könnte...

          • @Der Mann, der unter einen Stein hervorkroch:

            Also ich freue mich, wenn das Militär versagt - Sie nicht?

            • @Uranus:

              Russland hat etwa 6000 einsatzbereite Atom Raketen. Die USA etwa 4000.

               

              Wenn, egal auf welcher Seite das "Militär versagt" und es zu einen unbeabsichtigten nuklearen Austausch kommt; danach hat sich jede Diskusion erübrigt.

               

              Insofern: ich freue mich nicht unbedingt wenn "das Militär versagt."

              • 4G
                4932 (Profil gelöscht)
                @Der Mann, der unter einen Stein hervorkroch:

                Die Zahlen sind etwas anders, da die USA über 7000 Atomwaffen haben, aber egal.

                Militär, Natovorstellungen, Krieg als Wirtschaftsmotor und durchaus möglicher Option sind wieder salonfähig geworden.

                Grausam, wie dumm der Mensch ist.

          • @Der Mann, der unter einen Stein hervorkroch:

            Upps... sorry für den Doppel-Post

            • @Der Mann, der unter einen Stein hervorkroch:

              "Wir befinden uns am Rand eines neuen kalten Krieges."

               

              In München wurde gerade beschlossen, dass wie mitten drin sind...

  • "Auch sie müssen der Verteidigungsministerin vertrauen können. Dazu muss sie aber auch in Zukunft wieder klar benennen, was in der Bundeswehr geht und was nicht – auch auf die Gefahr hin, dass sie aus der Armee selbst, aus dem Bundestag und vom sozialdemokratischen Wehrbeauftragten Gegenwind bekommt."

     

    Gemeinhin ist die Haltung zu Ministern und Generalen wie die zwischen Fussballtrainer und Mannschaft.

    Nach außen stellt man sich vor das Team und nimmt seine Jungs in Schutz.

    Nach innen kann man dann natürlich Feuer geben und auch mal eine derbere Wortwahl versuchen.

    Wenn vdl oder auch höhere Offiziere die Soldaten aus Aktionismus demontrativ anschwärzen, wird das innerhalb der Truppe als unkameradschaftlich betrachtet.

    Karrieristen kann man im Gefecht eben nicht gebrauchen und auch nicht als obersten Dienstherrn.

    Verlieren die Jungs den Respekt, dann bleibt dieser auch verloren und das war bei VDL mit der Anordnung der Kasernendurchsuchungen der Fall.