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Kommentar Zinspolitik der EZBEin Sack Geld ist umgefallen

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Die EZB ist machtlos. Ihre Zinssenkungen bringen keine neuen Investitionen, staatliche Konjunkturprogramme hingegen schon.

Dieses Schlagloch zu stopfen würde mehr bringen als die Politik der EZB. Bild: dpa

S o sieht Machtlosigkeit aus: Die Europäische Zentralbank hat ihr Arsenal ausgereizt – trotzdem wird die Eurozone weiterkriseln. EZB-Chef Mario Draghi hat alles richtig gemacht und ist doch gescheitert.

Wie machtlos die Zentralbank ist, zeigt bereits ihr Beschluss, den Leitzins von 0,25 auf 0,15 Prozent zu senken. Diese minimale Differenz ist so egal wie der berühmte Sack Reis, der in China umfällt.

Ähnlich wirkungslos ist der „Negativzins“ von 0,1 Prozent, den die Banken zahlen müssen, wenn sie Geld bei der Zentralbank parken. Es wirkt zwar drakonisch, gerade für schwäbische Hausfrauen, wenn das Sparen bestraft wird. Aber die Banken können ihr Geld auch anderweitig unterbringen – zum Beispiel in den USA oder Großbritannien. Der einzige Effekt ist dann, dass der Euro ein bisschen sinkt, weil die Nachfrage nach Dollar oder Pfund steigt. Aber das war’s.

Hilflos wirkt auch der Versuch, den Banken zusätzliche EZB-Kredite zu versprechen, damit sie das Geld an die Unternehmen in den Krisenländern weiterreichen. Die Analyse ist zwar richtig: Viele Firmen im Süden erhalten keine Darlehen mehr. Aber dies liegt nicht etwa daran, dass die Banken kein Geld hätten. Stattdessen fürchten sie das Risiko, dass die Betriebe bankrottgehen, weil die Wirtschaft lahmt.

Es bleibt Fiskalpolitik

Die EZB geht nach dem Motto vor: Viel Geld hilft viel. Doch die Zentralbank scheitert an einem Paradox: Selbst billige Darlehen können zu teuer sein. Diese seltsame Konstellation tritt immer ein, wenn die Inflation sehr niedrig ist oder die Preise sogar fallen. Wenn jedoch die Umsätze der Firmen sinken, lassen sich Kredite nicht mehr zurückzahlen. Also nimmt niemand ein Darlehen auf. Die Wirtschaft stockt.

Wenn die Geldpolitik der Notenbank scheitert, bleibt nur die „Fiskalpolitik“: Der Staat muss die Konjunktur ankurbeln. Vielen Deutschen ist es jedoch ein Graus, dass sie für andere Europäer zahlen sollen. Vehement lehnen sie es ab, Beschäftigungsprogramme für arbeitslose Jugendlichen im Süden zu finanzieren, obwohl dies nicht nur ökonomisch sinnvoll wäre, sondern auch menschlich.

Es gibt allerdings auch eine gute Nachricht: Die Deutschen dürfen egoistisch sein. Es würde der Eurozone sogar helfen, wenn es ein Konjunkturprogramm nur für Deutschland gäbe. So könnte die Bundesregierung die niedrigen Zinsen nutzen, um die maroden Brücken in den Kommunen zu sanieren. Auch können die deutschen Löhne steigen, nachdem sie jahrelang real gesunken sind. Ein Fünftel aller Bundesbürger kann sich momentan keinen Urlaub leisten. Man stelle sich vor, wie es die griechische Wirtschaft beleben würde, wenn einige von ihnen in die Ägäis aufbrechen könnten.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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15 Kommentare

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  • 4G
    442 (Profil gelöscht)

    Die Headline müsste eine andere sein: Hauptsache Schäuble bekommt wegen der niedrigen Zinsen seinen Haushalt saniert. Aus Kosten der Sparer. Ohne sein Zutun. Dazu passen die O-Töne der Bundesminister:

    Bundesregierung: Stimmen zu Draghis Leitzhttp://www.polenum.com/politik_energie_umwelt_meinung/bundesregierung-stimmen-zu-draghis-leitzinssenkung-sparer-ezb/inssenkung

  • ...viel platter kann man eigentlich nicht argumentieren. Apokalyptiker hat Recht, die Zeit spar ich mir, muss eh gleich zur Arbeit.

    • @friedjoch:

      Damit meine ich den selbsternannten Herrn Renoir.

  • Es ist nicht zu fassen : die gelernte Bankkauffrau hat immer noch nicht mitbekommen , dass der Keynesianismus der letzten vierzig Jahre ( sprich : Geld ausgeben , das man garnicht hat) nach dem Crash von 2008 b r u t a l gestoppt werden m u ß t e ! Warum ? Weil größte Gefahr besteht , dass das bis zu den Wolken reichende Weltfinanzkartenhaus sonst zusammenbricht und alle "begräbt" .

    Auch haben viele noch nicht kapiert , dass auf Kredit-LUFTGELD basiertes Wachstum kein kapitalistisch "gültiges" Wachstum ist und sein kann , siehe zB Immobilienblase in Spanien und ihre Folgen .

    Herrmanns Wunschdenken mit "könnte" , "würde" , "wäre doch vernünftig" ... , ach ja , wie schön könnte doch die Welt ohne den bescheuerten Kapitalismus sein !

  • D-Day, Draghie-Day, Dooms-Day

  • Wenn es das Zinssystem ist, das für die immer weiter klaffende Schere zwischen Reich und Arm (= Mächtig vs. Ohnmächtig) verantwortlich ist, dann sind sinkende Zinsen (oder besser noch: gar keine, und am besten: negative) Zinsen doch wohl gut für jene Vielen, die nichts (oder sogar Schulden) haben.

    Allerdings zeigt der heutige Höhenflug des DAX, dass von solchen schwer durchschaubaren Manipulationen zuallererst immer die Experten für Abzocke an den Börsen profitieren, während die sprichwörtlichen Kleinsparer in die Röhre kucken.

    Dennoch: ein bisschen weniger Wachstum (sprich: Ausbeutung von Mensch und Umwelt sowie Umverteilung von unten nach oben) täte der Welt wahrscheinlich ganz gut. Ziel kann es aber nicht sein, dass die horrenden und absurden Reichtümer der oberen Zehntausend (oder nennen wir sie ruhig das eine Prozent) einfach nur stagnieren; was wir brauchen ist eine gerechte globale Umverteilung von Macht und Geld, ohne die es keinen allgemeinen Wohlstand und also auch niemals einen sozialen Frieden geben kann.

    Sollte die Sinkung der Leitzinsen ein erster Schritt in diese Richtung sein, dann mag ich ihn durchaus begrüßen. Mir als Habenichts sind nämlich steigende Preise ein viel größerer Gräuel...

    http://misanthrope.blogger.de/stories/2408661/

    • @Tex Grobi:

      " immer weiter klaffende Schere zwischen Reich und Arm ": Worauf beziehen Sie sind? Europa und die USA werden ärmer, und die BRIC-Staaten reicher. Wo ist da diese Schere?

  • "Vielen Deutschen ist es jedoch ein Graus, dass sie für andere Europäer zahlen sollen."

     

    Ja, weil sie selbst um ihren Job bangen. Zu Recht. Es ist die Minderheit, die tatsächlich essentieller Arbeit nachgeht. Vieles ist einfach nur Blase.

  • Ich würde erst mal die Effekte der Maßnahmen der Notenbank abwarten. Niedrige Zinsen unterstützen Investitionen, zB auch für EF-Häuser. Die Zahlen zur Auftragslage der Industrie in Deutschland sind gut. Da helfen billige Kredite. Wenn die Staaten wie am Mittelmeer Unsummen an Krediten angehäuft haben, die bedient werden müssen, sind sie überschuldet. Wieso wird der Hergang nicht analysisert? Dann der Effekt der Korruption. In Italien und Griechenland herrschen bezüglich Korruption Verhältnisse, die schlechter sind als in manchen afrikan. Staaten, siehe Liste von Transparency International. Wir haben dagegen in Nordeuropa eine Wirtschafts- und Haushaltsentwicklung, die eher akzeptabel ist. Schweden stand auch mal am Abgrund und hat sich da wieder rausgezogen. Ich wünsche mir, dass solche Themen weniger weltanschaulich abgehandelt werden, sondern dass analytisch die Verhältnisse in verschiedenen Staaten verglichen werden, auch geschichtlich. Denn solche Situationen gab es schon öfters. Man kann über neue Maßnahmepakete nachdenken, aber verschiedenen Maßnahmepakete wurden schon durchgeführt, auch in der Geschichte, und das kann man vergleichen, zB Lettland, Griechenland, Island, Irland, Neuseeland, Japan, Schweden, USA usw usw. Anscheinend will sich niemand die Mühe machen, sich das mal genauer anzuschauen, sondern es werden allgemeine weltanschauliche Überlegungen verbreitet, die vielleicht stimmen, vielleicht falsch sind. Weltanschauungen sind eigentlich immer falsch, wenn sie irgendwas zurechtbiegen, statt wissenschaftlich zu analysieren.

    • @Gabriel Renoir:

      Ja, Investoren lauern hinter jeder Ecke. Die warten nur drauf, ihr Geld zum Wohle der Menschen und langfristig anzulegen.

       

      Auftragslage, nehmen wir die Autoindustrie... ja super Sache. Wir brauchen mehr Autos, die Welt braucht mehr Autos. Deutsche Autos. Die Absatzzahlen stimmen, es gibt quasi richtige Wartelisten.

      Oder nehmen wir die Waffenindustrie...

       

      Eine Sauerei mit den Krediten da im Süden! Aber damit haben wir auch gar nichts zu tun. Bei uns gibts sowas nicht, sind Politik und Wirtschaft strikt getrennt. Punkt Ende Aus.

       

      Und ja, Analyse ist wichtig. Analysis, das ist schwer, da fallen viele Studenten durch. Aber von Wirtschaftsnachrichten können wir lernen: Schiefergas, Entlassungen oder auch Krieg - da dreht die Börse durch. Wachstum und Wohlstand, jeder kann gewinnen. Das hat nichts mit Weltanschauung zu tun.

       

      Ich analysier mir meine Welt bis sie mir gefällt.

      • @friedjoch:

        Nehmen wir eine Welt ohne Investoren, die dem Egoismus frönen. Es ist eine Welt der plakativen Wetanschauungsvertreter, die in der Hängematte ruhen, neben der mäßig produktiven Arbeit. Wieso ist /war die DDR +NKorea verarmt, während die BRD /SKorea in der Fülle leben? Viel offensichtlicher kann man es kaum auf dem Tablett servieren.

      • @friedjoch:

        ...vergebliche Liebesmüh ! Iromie versteht der nicht , und schon garnicht , wie die kapitalistische Wirtschaftsweise funktioniert . Seine "Weltanschauung" : - weil doch nicht alle Länder gleich tief in der Scheisse sitzen , gibt es "offensichtlich" auch solche , die es bzw. etwas richtig machen , es also mithin "richtige Wege" gibt , die man durch "Analyse" feststellen könnte .

        Zu dumm nur , dass der große Analytiker uns anderen dumm sterben lassen will : s e i n e "Weltanschauung" ...äääh Analyse behält er für sich .

        • @APOKALYPTIKER:

          Kapitalismus, Marxismus, Neoliberalismus, Keynesianische Wirtschaftspolitik: Ich kann es nicht mehr hören. Vergleicht einfach Länder und Reaktionen auf Krisen. Es ist hier eine obsessive Fixierung auf das korrupte Griechenland zu verzeichnen und auf Portugal. Den Rest der Welt interessiert keiner, weil er das marxistische Weltbild nicht stützt: Neuseeland, Australien, Irland, Lettland, Slowakei usw usw,

          • @Gabriel Renoir:

            Gabriel , im Ernst , ... Sie brauchen eine Therapie ! Die "Obsessionen" , die Sie anderen hier zuschreiben wollen , haben vielleicht nur Sie selbst .

            • @APOKALYPTIKER:

              Ne, ich nehm nur die Zahlen, und die zeigen, dass wirtschaftlich gesehen 300 Millionen Bürger weltweit aus der verarmten ländlichen Schicht der Kleinbauern in die Mittelschicht aufgestiegen sind (BRIC-Staaten etc, letzte 30 Jahre). Ein Erfolg der Entwicklung.