piwik no script img

Kommentar Wohnraum in DeutschlandBezahlbare Mieten – statt Rendite

Kommentar von Claus Schreer

Es braucht ein Umdenken bei Wohnungsbau und Bodenrecht. Aber der Staat fördert weiterhin Luxusquartiere und Immobilienspekulation.

Der Staat muss den Boden entprivatisieren und mehr sozialen Wohnraum schaffen Bild: dpa

D ie Mieten in der Bundesrepublik werden immer teurer. In München und in den meisten Großstädten müssen bei Neuvermietungen im Bestand inzwischen 14 bis 15 Euro Nettokaltmiete bezahlt werden. Beim Erstbezug im Neubau kostet die Nettokaltmiete gar 16 Euro und mehr.

Dazu kommen noch die Betriebs- oder Nebenkosten, die zum Beispiel in München bei durchschnittlich 1,60 Euro pro Quadratmeter liegen. Die Miete für eine 80-qm-Wohnung kostet so etwa 1.200 bis 1.400 Euro – ohne Heizungs- und Stromkosten. Normalverdienende Familien müssen inzwischen ein Drittel oder die Hälfte ihres Nettoeinkommens für die Miete ausgeben.

Parteien, die die derzeitigen investorenfreundlichen Mietgesetze beschlossen haben, versprechen plötzlich die Einführung von „Mietpreisbremsen“. Grundlegende Änderungen, die der Wohnungs- und Grundstücksspekulation einen Riegel vorschieben würden, sind von ihnen allerdings nicht zu erwarten.

Private Investoren bauen Wohnungen nur dann, wenn sie für ihr investiertes Kapital mindestens die marktübliche Rendite erzielen. Ohne Aussicht auf Rendite werden auch keine Wohnungen gebaut. Der kapitalistische Wohnungsmarkt versorgt deshalb ausschließlich die Besserverdienenden, aber nicht diejenigen mit durchschnittlichen oder niedrigen Einkommen.

Claus Schreer

Jahrgang 1938, ist Mitarbeiter des isw - Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e. V., München; Autor des Buches „Das Geschäft mit der Wohnung - Bodenspekulation und Stadtentwicklung im Kapitaismus“, Neuer ISP-Verlag, Köln 1998. Schreer ist Aktivist in der Antikriegsbewegung.

Die Wurzel des Übels

Aus diesem Grund sieht sich der Staat seit jeher dazu gezwungen, mit mietpreisregulierenden Maßnahmen einzugreifen. Die derzeitigen Mietgesetze verhindern jedoch bestenfalls einen Teil der Wuchermieten, garantieren aber in erster Linie den Renditeanspruch der Eigentümer.

Das Hauptinstrument, die teuren Mieten erträglicher zu machen, ist seit Jahrzehnten das Wohngeld, eine staatliche Subvention, die die Mieten nicht senkt, sondern weitere Mietpreissteigerungen ermöglicht. Die steigenden Mieten haben wiederum immer höhere Wohngeldzahlungen und höhere Ausgaben für die Übernahme der Kosten der Unterkunft für ALG-II-Empfänger und für die soziale Grundsicherung zur Folge.

Dafür wird heute bereits die astronomische Summe von 17 Milliarden Euro ausgegeben. Diese Milliarden fließen in die Taschen derjenigen, die das Problem verursacht haben – an die privaten Hauseigentümer und Immobilienspekulanten.

Ständig steigende Mieten sind kein Naturgesetz. Sie sind das Ergebnis des Anspruchs der Haus- und Wohnungseigentümer auf ständig steigende Renditen. Bei Neubauwohnungen führt bereits eine Rendite bzw. Verzinsung von 5 Prozent auf das investierte Kapital (für Baukosten von 1.500 Euro und Grundstückskosten von 700 Euro pro qm) zu einer Mietbelastung von 9,20 Euro pro qm monatlich.

Mietstopp und Begrenzung der Mietpreise

Tatsächlich sind die Nettokaltmieten – also ohne Betriebs- oder Nebenkosten – beim Erstbezug in München und anderen Großstädten noch wesentlich höher. Die Rendite ist also der preistreibende Faktor bei den Mieten. Ohne diesen Profitanteil könnten alle Mieten auf etwa die Hälfte oder ein Drittel der heutigen Mietpreise gesenkt werden.

Dreh- und Angelpunkt einer sozialen Wohnungspolitik ist deshalb die Begrenzung der Mieten direkt an der Quelle und als erster Schritt die Verhinderung weiterer Mieterhöhungen durch einen gesetzlichen Mietpreisstopp, auch bei Neuvermietungen.

Im zweiten Schritt müssten alle Mieten auf die tatsächlichen Kosten begrenzt werden. Damit wäre auch der Umwandlungsspekulation quasi der Boden entzogen. Zudem: Wenn die Mieten nicht weiter steigen, entfällt auch eine der Triebfedern für immer höhere Grundstückspreise.

Der bis heute in der Bundesrepublik praktizierte Soziale Wohnungsbau hat weder zu dauerhaft preiswerten Sozialmieten geführt noch dazu, dass die mit hohen staatlichen Subventionen entstandenen Wohnungen als mietpreisgebundener Bestand erhalten geblieben sind.

Sozialer Wohnungsbau, der den Namen verdient

Von den ehemals mehr als 6 Millionen Sozialwohnungen sind nach dem Wegfall der Mietpreisbindungen und dem massenhaften Verkauf kommunaler Wohnungsbestände nur noch rund 1,6 Millionen mietpreisgebundene Wohnungen übrig geblieben. Von den politisch Verantwortlichen war das von Anfang an so vorgesehen.

Die oft gut gemeinte Forderung, das bis heute praktizierte Modell der „sozialen“ Wohnungsbauförderung wiederzubeleben, etwa durch Zuweisung höherer staatlicher Mittel, macht dabei wenig Sinn, denn dieses Modell hat seine Untauglichkeit hinreichend bewiesen.

Einen wirklichen sozialen Wohnungsbau, der mit der Garantie dauerhaft preiswerter Mieten einhergeht, kann es überhaupt nur unter völliger Ausschaltung von Kapital- und Bankprofiten geben. Das heißt, dass dieser soziale Wohnungsbau vollständig aus staatlichen Mitteln finanziert und ausschließlich mit gemeinnützigen oder genossenschaftlichen Trägern verwirklicht werden muss.

Die Behauptung, dass die dafür notwendigen umfangreichen öffentlichen Gelder nicht vorhanden sind, dass Wohnungsbau nur über den privaten Kapitalmarkt finanziert werden kann, ist uralt, aber ein Märchen.

Luxusimmobilien werden von Staat mitfinanziert

Denn seit jeher wird auch der sogenannte freifinanzierte Wohnungsbau, einschließlich aller Luxusimmobilien, Zweit- und Drittwohnungen, vom Staat großzügig mitfinanziert. Die staatlichen Steuersubventionen für private Eigentümer und die großen Wohnungsunternehmen sind häufig sogar wesentlich höher als die tatsächlichen Herstellungskosten. Die Mieter haben davon nichts.

Genaue Berechnungen ergeben, dass der Staat im Laufe der Jahre mit Steuerfreibeträgen und Abschreibungen die ursprünglichen Baukosten doppelt oder dreifach finanziert.

Nehmen wir einmal an, der Staat hätte – wie in den 1950er Jahren – weiterhin jährlich rund 300.000 Wohnungen errichtet und keine dieser Wohnungen hätte ihre Sozialbindung „verloren“, dann gäbe es heute allein in den westlichen Bundesländern mehr als 20 Millionen Sozialwohnungen. Aus den Mieteinnahmen dieser Wohnungen könnten – 1 Euro pro qm würde genügen – jährlich mindestens 20 Milliarden Euro in einen staatlichen Wohnungsfonds fließen.

Häufig werden in der politischen Auseinandersetzung die hohen Grundstückspreise für die Mietpreisexplosion verantwortlich gemacht, auch Wohnungsbauunternehmen rechtfertigen damit ihre teuren Mieten. In Wirklichkeit verhält es sich genau umgekehrt. Die Rendite, die auf bestimmten Grundstücksflächen erzielt werden kann, entscheidet darüber, wie hoch der Bodenpreis ist. Denn Grund und Boden an sich hat keinerlei Wert.

Grund und Boden gehören in öffentliches Eigentum

Der Wert eines Grundstücks ergibt sich erst aus seiner Nutzung, aus seiner besonderen Lage, den Möglichkeiten seiner Verwertung und aus seiner Monopolstellung in den Ballungsgebieten, wo Grundstücke besonders knapp sind. Je höher die Rendite ist, die auf einem Stück Land erzielt werden kann, desto höher ist auch sein Preis.

Die Grundstückspreise steigen natürlich, wenn hohe Mietsteigerungen zu erwarten sind oder wenn durch städtische Planungen eine profitablere Nutzung ermöglicht wird. Der Kaufpreis, der für ein Grundstück bezahlt werden muss, ist also nicht der Preis für den Boden, sondern der Kauf der Rendite, die auf dem betreffenden Grundstück erzielt werden kann.

Auf teuren Grundstücken, die für Kommunen oder gemeinnützige Genossenschaften unbezahlbar sind, kann natürlich auch kein Wohnungsbau mit sozialen Mieten entstehen. Ohne grundlegende Änderung des Bodenrechts ist deshalb eine soziale Wohnungspolitik gar nicht möglich.

Grund und Boden müssen deshalb der ausschließlich an Rendite orientierten privaten Verfügungsgewalt entzogen und in demokratisch kontrolliertes gesellschaftliches Eigentum überführt werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • "Grund und Boden gehören in öffentliches Eigentum" - und diese Chance müsste bei der Übernahme der zahlreichen Konversionsflächen von den Kommunen auch genutzt werden: Sie sollten nicht weiterverkauft, sondern in Erbpacht vergeben werden. s.a. http://www.stadtpolitik-heidelberg.de/Stellungnahmen/Stellungnahmen2014_1.htm#ErbpachtVeranstaltung

  • Mangelnde Sachkenntnis kann nicht durch starke Worte ersetzt werden. Hohe Renditen wurden auf dem Wohnungsmarkt noch nie erzielt, hier zählt in erster Linie die relative Sicherheit dieser Investitionsobjekte. Auch die Behauptung, daß ständig die Mieten steigen, läßt sich nicht verifizieren. Das Problem ist ein anderes: der Wohnungsmarkt hat Schwierigkeiten, Angebot und Nachfrage in Übereinstimmung zu bringen, weil nach dem Auffangen der entsprechenden Marktsignale zuviel Zeit vergeht, bis entsprechende Nachfrage auch neue Wohnungen produziert. Im Übrigen gibt es in Deutschland genügend Wohnraum, der auch bezahlbar ist - kein Mensch zwingt die Leute, in Scharen in die Stadt zu ziehen. Hinzu kommt ein Punkt, der von anderen Kommentatoren schon angesprochen wurde: der Staat betätigt sich durch eine Vielzahl von zum Teil fragwürdigen Vorschriften als Preistreiber bei der Erstellung von Wohnraum - hier müßte man ansetzen.

  • Der Ganze Kommentar zum Thema Wohnraum in Deutschland entspricht leider nicht unserem Wirtschaftssystem. Das kann man zwar vielleicht bedauern, aber ist nun mal so.

    Hinweis: Das System der DDR und der früheren Ostblockstaaten), das wohl eher diesem Gedankenmodell entsprach, hat Plattenbauten in miserabler technischer Qualität und im gesamten einen heruntergekommen Gebäudebestand produziert! Des Weiteren war im Ostblock eine riesige Wohnungsnot vorhanden!

    Irgendwie scheint unser System also dagegen Vorzüge zu haben!

    Inhaltliche Fehler:

    Abschreibungen sind keine Subvention

    1500 €/m² Baukosten (ohne Grundstückskosten) sind schon sehr sehr günstig beim Kauf von Wohnungen. Ich vermute, bei durchschnittlichen Münchner Wohnungskäufen muss man wohl einen tausender hier drauf rechnen!?

    (München wurde im Artikel als Beispiel genannt)

    5 % durchschnittliche Rendite sind meines Erachtens bei Vermietungen von Neubauten in Deutschland schwer zu realisieren. Mieteinnahmen stehen nämlich regelmässige Kosten von vermieteten Wohnungen sowie das Risiko von Mietnomaden und sonstigen Mietausfällen gegenüber.

    Aus eigener Erfahrung als Mieter und Vermieter (ich wohne in einer Mietwohnung und habe eine Wohnung vermietet!) ist das Vermieten von Wohnungen kein sehr lukratives Geschäft und kostet auch einiges an Aufwand.

    Gruß Fridolin

    • 2G
      2097 (Profil gelöscht)
      @Fridolin:

      Na ja, die Anschaffung einer vermieteten Eigentumswohnung, also einer Kapitalanlage, dient doch eher zur Absicherung hinsichtlich Inflation. Am Kapitalmarkt übersteigt momentan die Inflationsrate den Leitzins deutlich. Da ist eine Rendite von 3% bereits viel. Anders ließe sich die hohe Nachfrage auf dem Immobilienmarkt in Berlin nicht erklären. Seien Sie froh, dass Sie sich aufgrund Ihrer Vermögens- oder Einkommensverhältnisse eine Eigentumswohnung leisten können und dadurch eine finanzierende Bank gefunden haben. Außerdem haben Sie steuerliche Vorteile, wenn Sie Ihre Eigentumswohnung nicht selber bewohnen. Nur mit diesem Konzept von steuerlichen Vorteilen Anreize auf dem Immobilienmarkt zu schaffen, wird man die steigenden Mieten nicht sozial verträglich gestalten können. Und auch die Vorgaben, jeder solle sich doch möglichst selbst verschulden und eine Eigentumswohnung / ein Eigenheim erwerben, halte ich für unrealistisch, insbesondere seit der Finanzkrise 2008. Da sind die Wohnungsbaugenossenschaften in Berlin schon eher ein erfolgreiches Konzept, wo es sich lohnt, verstärkt steuerliche Mittel zur Verfügung zu stellen. Die Wohnungsbaugenossenschaften zeigen, wie auch die Genossenschaftsbanken 2008 in der Finanzkrise, dass es also auch sozial, genossenschaftlich und ohne marode Plattenbausiedlungen zu produzieren geht.

  • Ohne Rendite geht’s nicht. Das hatten wir schon zur Genüge, zig zehntausende marode Plattensiedlungen im Osten sind ein warnendes Beispiel.

    Die Rendite sollte bei einigen Prozentpunkten liegen, sonst wird nicht investiert. Und woher sollen denn die Renovierungskosten kommen? Ich vergaß: Die Anti-Gentrifizierer wollen ja, dass alles verfällt!

    Was ich in dem Artikel sträflich vermisse: Den Preistreibeeffekt durch energetische Maßnahmen wie Dreifachfenster und Wärmeschutzhüllen. Da schreibt man lieber nix drüber, weil es ja dem Klima hilft.

    • @Süddeutscher:

      Bloß weil es nicht immer klappt, wie bei manchen "maroden Plattensiedlungen" heißt das ja nicht, das es prinzipiell nicht klappen kann. Dass es geht, zeigen die Genossenschaften mit ihren günstigen Mieten auch bei Neuvermietungen und trotzdem einem guten Zustand der Wohnungen, weil es eben nicht darum geht Rendite zu erzielen. Zuerst werden die Mieteinnahmen für die Baukosten verwendet, und nachdem diese abbezahlt sind, werden die Mieteinahmen für die Instandhaltung verwendet, siehe da es funktioniert ...und nein "die Anti-Gentrifizierer" wollen nicht, das alles verfällt, im Gegenteil, viele von ihnen haben so einiges an Arbeit und auch Geld in Wohnungen oder ganze Häuser gesteckt, als da noch kein anderer wohnen wollte.

      • 2G
        2097 (Profil gelöscht)
        @?:

        Richtig, die Genossenschaften hier in Berlin sind ein sehr gutes Beispiel für erschwingliches Wohnen. Nur leider ist die Nachfrage größer als das Angebot und die Wartezeiten sind lang. Es geht also auch sozial, genossenschaftlich, ohne Profitmaximierung und ohne marode Plattenbausiedlungen zu produzieren.

        Wir sollten also Genossenschaften stärker fördern. In der Finanzkrise 2008 waren es auch die Genossenschaftsbanken, die am besten durch die Krise gekommen sind.

        • @2097 (Profil gelöscht):

          Jo, da gebe ich euch recht, das Genossenschaftsmodell ist vernachlässigt worden, es wäre zweifellos ausbaufähig. Aber es müssen sich eben auch Leute dazu finden, genossenschaftlich zu bauen. Und auch Genossenschaften brauchen erst einmal Kapital.

          • 2G
            2097 (Profil gelöscht)
            @Süddeutscher:

            Momentan werden Genossenschaften ja immer gleich mit maroden Plattenbausiedlungen in der DDR assoziiert von Gegnern des Genossenschaftsmodells. Wenn der Staat steuerliche Anreize schafft für den Bürger, sich an Genossenschaften zu beteiligen, wie bspw. auch bei den Kapitalanlagen auf dem Immobilienmarkt, wird sehr schnell sehr viel Kapital zusammenkommen. Aber ich befürchte, dazu gibt es zu wenige Fürsprecher für das Genossenschaftsmodell, wohl auch, da niemand an die erfolgreich wirtschaftenden Genossenschaftsbanken oder Wohnungsbaugenossenschaften denkt, sondern fälschlicherweise nur an marode Plattenbausiedlungen.