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Kommentar WisconsinNeuer Held der Republikaner

Dorothea Hahn
Kommentar von Dorothea Hahn

Die Abwahl des rechten Gouverneurs von Wisconsin, Scott Walker, ist gescheitert. „Big Money“ hat gegen soziale Bewegungen und Gewerkschaften gesiegt.

S cott Walker, jener Gouverneur von Wisconsin, der die Mitbestimmung abgeschafft, die Gewerkschaften verdrängt, das Tragen von Schusswaffen erleichtert, die Umweltgesetze ausgehöhlt und die Familienplanungszentren ausgehungert hat, ist am Dienstag in seinem Amt bestätigt worden.

Aus der „Abrufwahl“, die ihn vorzeitig aus dem Amt drängen sollte, geht der Politiker vom rechten Flügel der Republikaner gestärkt hervor. Sein Triumph macht ihn zu einem neuen Helden der RepublikanerInnen: Zu einem rechten Vorbild, dessen Politik in anderen Bundesstaaten nachgeahmt und dessen Name bei der künftigen Vergabe nationaler Posten bedacht werden wird.

Unübersehbar hat in Wisconsin „Big Money“ gegen soziale Bewegungen gesiegt. Nie zuvor ist so viel Geld in einen Wahlkampf in den Bundesstaat geflossen. MillionärInnen aus sämtlichen Teilen der USA – aus der Mineralölindstrie, der Kasinobranche, der Börse und der Republikanischen Partei – haben die Abrufwahl mit ihren Spenden zu einem nationalen Ereignis gemacht. Dank ihrer 31 Millionen Dollar verfügte Walker über acht Mal so viel Geld wie sein demokratischer Herausforderer Tom Barrett.

Bild: manfred bartsch
Dorothea Hahn

ist US-Korrespondentin der taz.

Während der Republikaner die Medien mit aggressiven Spots beschallen konnte, musste die andere Seite mit traditionellen Methoden arbeiten: Türklinken putzen, WählerInnen anrufen, Flugblätter verteilen, diskutieren.

Zugleich hat am Dienstag in Wisconsin möglicherweise die letzte Schlacht gegen die Gewerkschaftsbewegung in den USA begonnen. Nachdem die Industriegewerkschaften an Boden verloren hatten, waren in den USA die Arbeitnehmerorganisationen des Öffentlichen Dienstes zur Speerspitze geworden. Wisconsin war ihr Bundesstaat: Dort haben sie – in den 1950er Jahren – die Mitbestimmung erkämpft und dort haben sie eine ihrer letzten Mitgliederhochburgen.

Obama nicht geschwächt

In der politischen Auseinandersetzung mit Walker waren sie die führende Kraft. Für die Gewerkschaften ist die Abrufwahl eine historische Niederlage mit weitreichenden Folgen: Erstens hat Gouverneur Walker bewiesen, dass es in den USA möglich ist, Wahlen zu gewinnen, wenn man Mitbestimmung am Arbeitsplatz, Tarifverhandlungen und kollektive Interessenvertretung abschafft. Zweitens wird er als nächstes versuchen, Wisconsin zu einem „Right to Work“-State zu machen, was die restlose Entmachtung der Gewerkschaften bedeutet. Und drittens hat auch US-Präsident Barack Obama die Gewerkschaften in dem Vis-à-Vis mit dem rechten Republikaner allein gelassen.

Die demokratische Basis in Wisconsin hat auf diese Zurückhaltung von Präsident Obama mit Irritation und Verbitterung reagiert. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass sie ihren Enthusiasmus bei den Präsidentschaftswahlen im November bremsen wird. Dennoch bleibt Obama vorerst der der bestplatzierte Präsidentschaftskandidat in Wisconsin. Es sieht so aus, als müsste der Triumph von Walker seinen Wiederwahlchancen nicht unbedingt schaden.

Zu den VerliererInnen vom Dienstag gehört außerdem die Grassrootsbewegung in Wisconsin. Sie hatte im Winter 2011 eine außergewöhnliche Energie und Kreativität entfaltet. Das Kapitol in Madison besetzt. Phantasievolle Aktionen auf der Straße organisiert. Und Tausende neue AktivistInnen zu ihren ersten Aktionen motiviert. Doch seit der Räumung des Kapitol, hat die Bewegung – zusammen mit Gewerkschaften und Demokratischer Partei – ihre geballte Kraft auf institutionelle Politik konzentriert: Petitionen, Wahlkampf und Wahlen.

Nach einer (erfolglosen) Wahl-Kampagne für das oberste Gericht in Wisconsin und einer (zum Teil erfolgreichen) Wahlkampagne für mehrere SenatorInnen sollte die Abrufwahl des Gouverneurs zum krönenden Höhepunkt dieser Kampagne werden. Stattdessen geriet sie zum Eigentor.

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Dorothea Hahn
Korrespondentin
Kommt aus Köln. Ihre journalistischen Stationen waren Mexiko-Stadt, Berlin, Paris, Washington und New York.
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4 Kommentare

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  • T
    Tim

    Ich verstehe nicht warum die Republikaner unbedingt den Präsidenten stellen wollen. Gerade im Moment sollte Obama an der Macht bleiben. Natürlich mit einer kraftvollen republikanischen Opposition.

  • I
    Indigo

    Viele Amerikaner beherrschen die Kunst permanent gegen ihre eigenen Interessen zu stimmen.

    Ich fürchte, diesen Leuten ist nicht mehr zu helfen.

  • BE
    Brady Eklund

    Eine echte Tragödie. Die Demokraten waren schon meistens durch "Big Money" finanziert und die Gewerkschaften waren die einzige Interesse, die Geld fur progressive Politik liefern konnte. Walker's Gesetzen im zusammenhang mit dem Citizens United Urteil bedeuten, dass es nicht mehr moglich ist bloss eine defensive Sozialpolitik zu fordern. Das passt zum Schema der Demokraten auf der nationalen Ebene. Sie bleiben wirtschaftlich neoliberal um Campagin-Spenden zu bekommen und stutzen sich auf die Identitatspolitik.

     

    Ich hoffe nur, dass irgendein Eckchen der Welt von der Dummheit der amerikanische Wahlerschaft verschont bleibt.

  • A
    Alex

    Wenn es denn so einfach wäre...

     

    Fakt ist doch, dass die Gewerkschaftler in erster Linie an sich selbst gescheitert sind. Anstatt einen neuen Kandidaten (Kathleen Falk) gegen Scott Walker aufzustellen gab es erst einen internen Machtkampf und aus diesem ging der bereits 2010 gescheiterte Gegenkandidat von Walker, Tom Barrett hervor.

     

    Dann ist es natürlich eine Frage des Geldes - wie üblich in US-Wahlkämpfen - und dieses wurde von den Gewerkschaften/Demokraten bereits für die Wahl zwischen Barrett und Falk in den Sand gesetzt.

    Letztlich hatte Walker mehr als $30 Millionen für den Wahlkampf zur Verfügung, während Barrett mit mageren $4 Millionen gegen den Gouverneur ins Rennen ziehen musste.