Kommentar Wiesenhof-Werbespot: Armes Würstchen
Atze Schröder betont in einem Clip mit Pimmel-Witzen, wie lang die Wurst ist. Dann ganz beiläufig: ein Rekurs auf „Gina und Lisa“. Das ist verstörend.
W urst – schon das Wort ist irgendwie ekelig. Spätestens, wenn man es oft genug wiederholt. Wurst. Wurst. Wurst. Egal. In einer Wurstwerbung für Deutschlands größten Geflügelproduzenten Wiesenhof sitzt Comedian Atze Schröder jedenfalls im Deutschlandtrikot am Grill. Und betont mit allerlei Pimmel-Witzen, wie lang diese Wurst ist. Die Wurst sei so groß, „danach müssen Gina und Lisa erst mal in die Traumatherapie“. Das gab Backengewitter auf Twitter. Der Vergewaltigungswitz löste im Internet einen Sturm der Empörung aus.
Wiesenhof und Atze Schröder haben sich mittlerweile entschuldigt, das Video ist nicht mehr öffentlich zugänglich. Schröder sagt, dass der im März veröffentlichte Werbespot schon vor einem Jahr gedreht worden sei, er „hätte niemals veröffentlicht werden dürfen. Schon gar nicht jetzt, wo er einen Bezug herstellt, der ekelhaft ist und so nie gedacht war.“
Aber wie war das mit Gina und Lisa dann gemeint? Damals wie jetzt war es ein Vergewaltigungswitz. Der einzige Unterschied: Vor einem Jahr hätten vielleicht weniger Menschen den Bezug auf Gina-Lisa Lohfink verstanden. Dem Model wird eine Falschverdächtigung wegen Vergewaltigung im Jahr 2012 vorgeworfen. Der Fall wird Montag in Berlin verhandelt.
Atze Schröder beteuert nun auf Facebook, er sei „absolut und ausnahmslos gegen jede Form sexueller Gewalt“, engagiert gegen Kinderprostitution und werde einem Verein 20.000 Euro spenden.
Aber das reicht nicht. Das Wiesenhof-Werbeproblem liegt tiefer: Es gibt noch diverse andere Atze-Schröder-Videos mit demselben Grundprinzip auf dem YouTube-Kanal von Wiesenhof. In einem davon pfeift er, um die Aufmerksamkeit einer Frau auf einer Liege zu bekommen. Dann hält er einen Monolog über Würstchenlängen, um der Frau dann eins zu bringen.
Die Mischung aus plumpem Hetero-Macker-Sexismus und der Gleichsetzung von verkokeltem Industriefleisch mit einem Phallus ist verstörend. Der beiläufige Vergewaltigungswitz, die penetranten Wurst-Penis-Vergleiche – welche Zielgruppe will der Wiesenhof-Konzern, dem wegen seiner Tierhaltungsbedingungen ohnehin ein mieses Image anhaftet, damit im Jahr 2016 eigentlich erreichen? Einziger Lichtblick für Feministinnen bleibt das Ende des Spots: Da beißt Schröder selbst ein Stückchen ab von seinem Würstchen-Schwanz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an