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Verein hält an Sponsor Wiesenhof festWerder ist Sexismus Wurst

Nach einem Bratwurst-Clip mit Anspielungen auf Gina-Lisa Lohfink distanziert sich Werder Bremen zwar von dem Video, nicht aber von Wiesenhof.

Keinen Bock auf 'nen Schlachter auf dem Trikot: Werder-Fans gegen Wiesenhof. Foto: Carmen Jaspersen

Hamburg taz | Seit 2012 prangt auf dem grünen Trikot des Fußballvereins SV Werder Bremen in dicken roten Buchstaben das Logo des umstrittenen Geflügelproduzenten Wiesenhof – trotz aller Kritik von Fans und Tierschützern. Jetzt hat sich der Verein von seinem Hauptsponsor distanziert. Grund ist ein sexistischer Wiesenhof-Werbespot.

Der Comedian Atze Schröder preist darin mit machohaftem Altherrenhumor seine Wurst an: „Wer lang hat, legt lang auf den Grill.“ Oder: „Sagenhafte, nicht enden wollende 20 Zentimeter.“ Er zielt in dem Video auch auf das Model Gina-Lisa Lohfink ab, die sich gerade vor Gericht gegen den Vorwurf wehrt, zwei Männer zu Unrecht der Vergewaltigung beschuldigt zu haben. Die Männer hatten ein Sexvideo veröffentlicht, in dem Lohfink deutlich „hör auf“ sagt.

In dem Wiesenhof-Spot nimmt Schröder auf das Model Bezug. „Danach müssen Gina und Lisa erstmal in die Traumatherapie“, sagt er mit typischer Lockenperücke und getönter Brille in die Kamera und grinst. Mittlerweile hat sich Schröder für das Video entschuldigt. „Der Werbespot wurde vor einem Jahr gedreht und hätte niemals veröffentlicht werden dürfen“, schreibt er auf Facebook. Er sei „ausnahmslos gegen jede Form sexueller Gewalt“. Zudem engagiere er sich „öffentlich und finanziell“ für den Verein Roterkeil.net, der sich gegen Kinderprostitution einsetze.

Auch Wiesenhof hat sich inzwischen entschuldigt. Vor dem Hintergrund der Berichterstattung über Lohfink hätte der Spot nicht veröffentlicht werden dürfen, sagte ein Unternehmenssprecher. Bleibt die Frage, unter welchen Umständen das Video geschmackvoller gewesen wäre.

Werders Schlachter

Das Unternehmen Wiesenhof gehört zur PHW-Gruppe, einem der größten Geflügelzüchter und -verarbeiter bundesweit.

Die zehn Schlachtbetriebe verarbeiten wöchentlich rund 4,5 Millionen Hähnchen.

Die Tierrechtsorganisation Peta hat mehrfach Strafanzeige wegen Tierquälerei gegen Wiesenhof gestellt. Die Vorwürfe reichten von Qualzuchten bis mangelnde Hygiene.

Trikotsponsor von Werder Bremen ist Wiesenhof seit 2012. Der Vertrag wurde bereits einmal verlängert, soll laut Medienberichten auf Initiative Wiesenhofs aber 2017 auslaufen.

Fan-Proteste gegen die Zusammenarbeit gab es bereits nach dem Vertragsabschluss.

„Ich kotz im Strahl“ schreibt Jan Delay

Das sehen auch viele Fußballfans so und kritisieren im Netz neben dem Geflügelproduzenten auch den SV Werder Bremen für die Zusammenarbeit. „Werder sollte sich langsam einen neuen Sponsor suchen“, fordert ein Twitter-Nutzer. Vorne mit dabei ist auch der Musiker Jan Delay. Der drohte sogar an, sein Amt als Werder-Botschafter vorübergehend niederzulegen. „Boah, das ist echt so unfassbar ekelig. Ich kotz im Strahl“, schrieb er auf Twitter. Werder müsse auf den Clip reagieren.

Der Verein äußerte sich auf Nachfrage nicht, veröffentlichte aber ebenfalls ein Statement auf Twitter: „Wiesenhof – dieser Spot war voll daneben! Fehlereingeständnis und Entschuldigung waren dringend geboten.“ Das sind ungewöhnlich deutliche Worte gegen den eigenen Hauptsponsor. Unmittelbare Konsequenzen werden daraus aber wohl nicht folgen. Der Vertrag läuft noch bis 2017.

„Klar sexistischer Werbespot“, heißt es aus dem Fanprojekt

Thomas Hafke arbeitet beim Fanprojekt Bremen, das vom Deutschen Fußballbund, der Stadt Bremen und Werder Bremen finanziert wird, findet es trotzdem gut, dass sich der Verein distanziert hat. „Das war ein klar sexistischer Werbespot. Und das geht überhaupt nicht.“

Im Weserstadion habe er in den vergangenen Jahren nicht von Vorfällen sexueller Gewalt gehört, es sei aber wichtig, sich klar dagegen zu positionieren.

Alltäglichen Sexismus gebe es in der männerdominierten Fanwelt aber schon. „Dann heißt es, der spielt wie ein Mädchen“, sagt Hafke. Frauen, die eine Meinung zu Fußball hätten, würden nicht immer ernst genommen. „Die Ultragruppen versuchen aber, Sexismus zu vermeiden.“ Die Antidiskriminierungs-AG organisierte eine Choreografie im Weserstadion unter dem Motto „Football has no gender“.

Dass sich Werder nur von dem Video distanziert, nicht aber den Sponsor wechselt, wie es viele Fans fordern, findet Hafke in Ordnung. „Wir als Fanprojekt mischen uns bei der Sponsorensuche nicht ein.“

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2 Kommentare

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  • Zu Otze Schröder kann man auch nur den Kopf schütteln. Seit 20 Jahren auf Tournee durch die Republik mit sexistischer Comedy und sich jetzt distanzieren! Da hilft auch sein Feigenblatt in Form von Charity gegen Kinderprostitution nichts. Der is einfach 'ne Wurst!

    Und zu Werder: Was ist grün und stinkt nach Hähnchen?

  • Werder dürften da die Hände gebunden sein, zumal die Sponsoren bei den Bremern ja nicht gerade Schlange stehen. In den letzten eineinhalb Jahrzehnten lief man dort für einen privaten Wettanbieter auf (nach einem Urteil zu illegalen Sportwetten mußte der Sponsor vorübergehend abgeklebt werden), dann folgte 2004, ausgerechnet im Zenit des sportlichen Erfolges, der für Kinderarbeit unter desaströsen Verhältnissen in Ländern der dritten Welt berüchtigte Billigklamottenanbieter "KiK", und schliesslich ab 2007 die "CitiBank", die sich jedoch infolge der Bankenkrise und der verzockten Altersabsicherungen von Kleinanlegern im sechsstelligen Bereich flugs in "TargoBank" umbenennen musste.

     

    Nun also ein Massentierhalter mit einer bedenklichen Einstellung zum Alltags-Sexismus, für den die Verhöhnung realer Vergewaltigungsopfer eine Form des Herrenwitzes darstellt. Die Frage bleibt, inwiefern dieses Mal der Markenwert des Bundesligisten durch das ramponierte öffentliche Ansehen seines Hauptsponsors weiteren Schaden nimmt.

     

    Formal hat Werder sich ja in Person seines Präsidenten Hess-Grunewald distanziert, allerdings erst nachdem (a) das seit März veröffentlichte Werbevideo am Wochenende in den Fokus des öffentlichen Interesses gelangte, (b) mit dem "Werder-Botschafter" Jan Delay eine Ikone für die eigene Öffentlichkeitswahrnehmung zurecht erbost die Zusammenarbeit aufkündigte, und © selbst Wiesenhof zwischenzeitlich eingeknickt war und das Video zurückgezogen hatte. So geriet die vermeintlich "scharfe Werder-Schelte" doch eher zu einer leeren Geste, die in erster Linie das Publikum beruhigen sollte.

     

    Vielmehr wird wohl auch nicht passieren, das flaue Gefühl in der Magengegend ein steter Begleiter bei Werder-Spielen bleiben. Zumindest der Absatz der Stadionwurst dürfte da erstmal in den Keller gehen.