Kommentar Wahlsieg FPÖ: Regierungsspitze mit Ablaufdatum
Auch ohne einen einzigen Flüchtling wäre die Wahl nicht anders ausgegangen: Die Regierungsspitze leistet schon zu lange jämmerliche Arbeit.
N ach dem Wahlgang in Oberösterreich wird die politische Klasse mit den erwartbaren Ausreden daherkommen: Der Flüchtlingsstrom und die damit verbundene Angst der Wähler vor Chaos und zu vielen Ausländern hätten der FPÖ die Stimmen nur so zugetrieben. Dagegen hätten die konservative ÖVP und die Sozialdemokraten einfach keine Chancen gehabt, und die Grünen seien irgendwie einfach untergegangen.
Aber das ist natürlich Unsinn: Auch wenn kein einziger Flüchtling gekommen wäre, die Wahlen wären nicht sehr viel anders ausgegangen. Die oberösterreichischen Sozialdemokraten haben einen Fehler nach dem anderen gemacht und kommen seit Jahren nicht aus ihrem Tief. Auch der Absturz der ÖVP hat nur bedingt mit der „Flüchtlingskrise“ zu tun, nämlich insofern als das dilettantische Missmanagement der ÖVP-Innenministerin, die es schon im Sommer nicht schaffte, ein paar tausend Flüchtlinge ordentlich unterzubringen, den Absturz der Partei eingeläutet hat.
Die generelle Stimmung im Land ist angesichts der jämmerlichen Performance der Wiener Regierungsspitze den ehemaligen Großparteien ÖVP und SPÖ abträglich und begünstigt die rechtspopulistische Radauopposition FPÖ. Und die sogenannten Etablierten wirken nur mehr hilflos.
Dieser Trend wird sich aller Voraussicht nach bei den noch weitaus wichtigeren Wiener Landtagswahlen in zwei Wochen fortsetzen. Die Wiener SPÖ ist zwar noch eine Glanznummer verglichen mit der Bundesführung und den meisten anderen Länderparteien, aber dem allgemeinen Sog kann sie sich nicht völlig entziehen. Auch in Wien wird die FPÖ massiv hinzugewinnen, wenngleich Rot-Grün wohl die absolute Mehrheit knapp verteidigen wird.
Im Wesentlichen hängen die Wahlsiege der FPÖ mit dem Verdruss über die Etabliertenpolitik zusammen, mit sichtbar planlosen Eliten und der jammervollen Performance der Bundesregierung. Was immer man von Werner Faymann, dem Bundeskanzler, halten mag, ob man ihn für unfähig hält, wie das die meisten tun, oder für jemanden, der unfair unter seinem Wert geschlagen wird, wie ein paar Wohlmeinende meinen, oder für irgendetwas dazwischen: Es ist jedenfalls eher unwahrscheinlich, dass er die nächsten acht Wochen politisch überlebt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen