Sehr geehrte Damen und Herren, liebe GenossInnen
Ich gebe meinen Austritt aus der Partei DIE LINKE bekannt.
Meine Erfahrungen aus meinen bisherigen Jahren aktiver Politik nach meinen Möglichkeiten, haben mich inzwischen gelehrt, dass Veränderungen auf parlamentarischem Wege kaum möglich sind.
Das starre und von weit verzweigten Beziehungsgeflechten durchsetzte Parteiensystem, sowohl zwischen als auch innerhalb der etablierten Parteien, lässt kaum inhaltliche Diskussionen und neue Denkstrukturen zu und behindert die Entwicklung von alternativen Gesellschaftsverhältnissen.
Für das politische Fortkommen müssen hierbei Ideale und Anschauungen zu oft hinter persönlichen Beziehungen, Parteisoldatentum und hinter der Angleichung an regional vorherrschende Stereotype zurückstehen. Persönliche Netzwerke und Massenkompatibilität, gemessen an dem herrschenden Zeitgeist werden, mit inhaltlich zur Erstarrung führender Wirkung, der Suche nach und der Entwicklung von neuen Strukturen vorangestellt. Hierbei sind selbstauferlegte Denkverbote und fehlende Reflexion über die Ursachen und die Wirkungen des eigenen Denkens und Handelns häufig das größte Hindernis für neue Wege.
Alternative Gesellschaftsstrukturen gelten als undenkbar. Das Festhalten an dem historisch gewachsenen, aber inzwischen bis zur annähernden Versteinerung verknöcherten ideologischen Fundament, das keinen Raum bietet für nachwachsende Ideen und Ideale und das deren Durchbruch an die Oberfläche nahezu verunmöglicht, wird uns als alternativlos dargestellt.
Die veraltete und von dem Machtstreben Einzelner unterhöhlte, von dem alles dominierenden Lobbyismus durchsetzte, und von der weit verbreiteten Desinformation und Opiatisierung entdemokratisierte und von Bürokratie, Korruption, Vetternwirtschaft und Willkür verkrustete Struktur des Parlamentarismus kann schon seit langem nicht mehr seinen vorgeblich demokratischen Anspruch erfüllen. In internen und öffentlichen Debatten wird die Unfehlbarkeit der politischen Protagonisten in den Vordergrund gestellt und muss als Schein unter allen Umständen aufrecht erhalten werden, was sich immer häufiger zu Lasten der Glaubwürdigkeit nicht nur der einzelnen Vertreter, sondern der überkommenen Strukturen in allen Bereichen unserer Gesellschaft auswirkt.
Unsere gegenwärtigen gesellschaftlichen Organisationsstrukturen erzwingen nicht Selbstkritik und Reflexion über Standort und Ziel, sondern selbige gelten als hinderlich für die Durchsetzung und Verfolgung des einmal eingeschlagenen Weges. Abweichende Stimmen werden hierfür unterdrückt, anstatt sie in die Überlegungen einzubinden. Mithilfe populistischer und demagogischer Propaganda wird die Gesellschaft gespalten und die Entstehung von neuen sozialen Bewegungen verhindert, auch indem weite gesellschaftliche Kreise von der Teilhabe am Gesellschaftsprozess, insbesondere von der Bildung und von der Möglichkeit relevanter politischer Einflussnahme, ausgeschlossen sind.
Die politische Diskussionskultur findet nicht mehr in öffentlichen Diskursen an der Basis der Gesellschaft statt. Sie existiert lediglich in Form von Scheindiskussionen in häufig ideologisch verblendeten elitären Zirkeln und im inhaltsarm inszenierten Rahmen der Massenmedien fort. Sie nimmt so den hiervon ausgeschlossenen Individuen jede politische Verantwortlichkeit und äußert sich auch in dem Absterben der basal-strukturellen Wurzeln der politisch verantwortlichen Parteien. Die Pflanze des Parlamentarismus beraubt sich so seiner eigenen Wurzeln und entzieht sich selbst die Basis und verliert dadurch jede Verankerung in der gesellschaftlichen Realität.
Was diese Gesellschaft und alle vorgeblichen westlichen Demokratien hinter dem zur Wirkungs- und Bedeutungslosigkeit deformierten Feigenblatt von Parlamentarismus, Menschenrecht und dem nur mehr als Lippenbekenntnis aufrechterhaltenen Grundgesetz auszeichnet, ist nicht Demokratie, sondern verschleierte Klassenherrschaft.
Mein jetzt vollzogener Austritt aus der Partei DIE LINKE resultiert nicht aus einer speziellen Kritik an dieser Partei, sondern aus der globalen Erkenntnis, dass neben dem ökonomischen auch das politische System in sich marode, repressiv und unfähig ist, sich aus sich selbst heraus zum Besseren zu wandeln.
Mein Austritt ist daher nicht zu verstehen als Abwendung von DER LINKEN als Partei, sondern als Absage an den Parlamentarismus in dieser Form selbst.
Im Resultat wird das Kreuz durch das ich bei der Bundestagswahl 2009 auf dem Wahlformular meine Beherrschungspräferenz für eine Partei geäußert und mit dem Einwurf in die aufgestellte Wahlurne in die symbolische Mülltonne entsorgt haben werde, meine letzte als gültig abgegebene Wählerstimme und daher mein letzter Akt der Partizipation an und der Zustimmung zum parlamentarischen Herrschaftsapparat gewesen sein.
Meine Geduld gegenüber der Demokratie parlamentarischer Ausprägung in dieser Form ist erschöpft.
Im Namen von Wahrheit, Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie
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