Kommentar Wahlausgang in Indien: Votum der wachsenden Mitte
Das Wahlergebnis zeigt: Die indische Linke hat keine Idee, wie sie das expandierende Kleinbürgertum für sich gewinnen kann.
D as Urteil der indischen Wähler hätte kaum deutlicher ausfallen können. Mit einer absoluten Mehrheit wurden Premierminister Narendra Modi und seine hindunationalistische Bharatiya Janata Partei (BJP) für weitere fünf Jahre im Amt bestätigt. Eine Überraschung ist das nicht. Zwar sah es während des Wahlkampfs kurz so aus, als könnten Arbeitslosigkeit und eine eher gemischte Reformbilanz der Regierung Spannung in das Rennen zwischen BJP und der oppositionellen Kongress-Partei bringen. Doch weit gefehlt.
Zwar sind die indischen Wähler nicht von allem begeistert, was Narendra Modi in den vergangenen fünf Jahren vollbracht hat. Doch die Aussicht auf eine zusammengewürfelte, instabile Koalition unter Führung des als Softie geschmähten Rahul Gandhi war wohl eine zu abschreckende Aussicht.
Das neue Indien ist nicht mehr von Massenarmut geprägt, sondern von einer stetig wachsenden Mittelklasse, die mit der Erbdynastie der den Kongress dominierenden Nehru-Gandhi-Dynastie nichts mehr anfangen kann. Der Ideenlosigkeit der indischen Linken, die meint, mit staatlichen Hilfsprogrammen und einer quasi königlichen Führungsfamilie dem politischen Gegner Faschismus vorwerfen zu können, haben die Wähler*innen eine Absage erteilt. Das neue indische Kleinbürgertum will nicht Almosen, sondern einen funktionierenden Staat. Und für diese Aussicht steht nun die BJP.
Dass dies mit wachsendem Nationalismus, der Zunahme religiöser Konflikte, Islamfeindlichkeit und einer Gängelung kritischer Intellektueller verbunden ist, liegt im weltweiten Trend und ist tragisch. Denn Indien war, trotz immer vorhandener Konflikte, stets ein Vorbild für das Zusammenleben verschiedener Religionen.
Die Niederlage der Kongress-Partei ist daher auch eine Warnung: Wenn es eine linke Partei nach 50 Jahren Regierungserfahrung nicht schafft, ihr Versprechen von sozialer Gerechtigkeit und Demokratie auch nur ansatzweise einzulösen, macht sie sich überflüssig.
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