Kommentar Wahl in El Salvador: Kein Wunder, aber eine Wende

Noch ist nicht klar, wieviel sich unter der neuen Regierung wirklich ändern wird. Zumindest möchte sich Mauricio Funes zuerst für die Armen und Ausgeschlossenen einsetzen.

Lateinamerika hat eine linke Regierung mehr. Am Sonntag ist in El Salvador eine der stärksten rechten Bastionen des Subkontinents gefallen. Ein Land, das republikanischen Regierungen in den USA stets blind gefolgt ist, zuletzt als am Ende einziges lateinamerikanisches Land mit einem Truppenkontingent in George W. Bushs „Koalition der Willigen“ im Irak. In Washington ist Bush abgetreten und die Republikaner sind abgewählt, und so scheint es fast konsequent, dass auch in El Salvador die extrem rechte „Republikanisch Nationalistische Allianz“ (Arena) nach zwanzig Jahren die Macht abgeben muss. Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes wird vom 1. Juni an die Linke regieren.

Aber ist es tatsächlich ein Sieg der Linken? Der ehemalige Journalist und jetzige Wahlsieger Mauricio Funes ist erst vor eineinhalb Jahren zur „Nationalen Befreiungsfront Farabundo Martí“ (FMLN) gestoßen und vertritt eher gemäßigt sozialdemokratische Positionen. Er holte die Stimmen der politischen Mitte, ohne die die ehemalige Guerilla nie gewonnen hätte. Und Funes hätte nie ohne die linke Basis der FMLN gewinnen können, die knapp 40 Prozent der Wählerstimmen sichert. Funes orientiert sich eher an Barack Obama und Lula da Silva, die Basis eher an Hugo Chávez und Fidel Castro. Wer sich durchsetzen wird, ist noch nicht ausgemacht.

Funes übernimmt das Präsidentenamt in schweren Zeiten. Das Land hängt wesentlich von den Überweisungen der mehr als zwei Millionen Salvadorianer in den USA ab, und dieses Geld wird wegen der dortigen Rezession weniger. Die meisten Unternehmer im Land sind eng mit Arena verbandelt. Man kann davon ausgehen, dass sie alles tun werden, um die ohnehin unvermeidliche Krise noch zu verschärfen. Auch das Parlament muss Funes erst für sich gewinnen. Die FMLN verfügt dort nur über knapp vierzig Prozent der Sitze. Alle anderen Parteien mit der Ausnahme eines einzigen Abgeordneten unterstützten den unterlegenen Arena-Kandidaten.

Man darf also keine Wunder erwarten von der neuen Regierung. Aber immerhin etwas: In seiner ersten Rede als gewählter Präsident bezog sich Funes auf den vor knapp 30 Jahren im Auftrag des Arena-Gründers Roberto D’Abuisson ermordeten Bischof Oscar Arnulfo Romero und versprach, sich wie dieser zuerst für die Armen und Ausgeschlossenen einzusetzen. Programme gegen Hunger und Armut also statt neoliberaler Wirtschaftspolitik für die Superreichen. Für El Salvador wäre das eine Zeitenwende.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

1956 im Hohenlohischen geboren. Hat beim Schwäbischen Tagblatt in Tübingen Journalismus gelernt und dort als Redakteur fast zehn Jahre lang ausgeübt. Danach war er vier Jahre Journalismusprofessor an der Zentralamerikanischen Universität in San Salvador, acht Jahre Korrespondent für Mittelamerika und die Karibik für taz (Berlin) und Weltwoche (Zürich) und vier Jahre Auslandsredakteur beim Schweizer Nachrichtenmagazin Facts. Von 2006 bis 2009 bei der Reportage-Agentur Zeitenspiegel, zuletzt als Mitglied der Geschäftsführung. Er ist Dozent an der Zeitenspiegel-Reportageschule Günter Dahl in Reutlingen und der Burda Journalistenschule in Offenburg. 1987 wurde er mit dem Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnet. 2010 Mitgründer von latinomedia - Büro für Journalismus. Er betreut seither das latinomedia-Büro Tübingen und pendelt zwischen Deutschland und Lateinamerika.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.