Kommentar Waffenlieferung an Kurden: Argumente statt Lügen
Es gibt gute Gründe gegen Waffenlieferungen an Kurden im Irak. Aber Militärministerin von der Leyen begründet den bisherigen Verzicht mit der Unwahrheit.
Es gehört zu den Grundsätzen dieser Bundesregierung und aller Vorgängerregierungen, keine Waffen in Krisengebiete zu liefern.“ Diese Behauptung von Kanzlerinsprecher Seibert und Militärministerin von der Leyen ist eine freche Lüge. Das belegen die Statistiken der bundesrepublikanischen Rüstungsexporte – seit 1971, seit die Regierung Brandt erstmals Grundsätze zum Verbot solcher Exporte in Krisen- und Spannungsgebiete beschloss.
Solange die Regierung Merkel lediglich mit dieser scheinheiligen Lüge zu begründen versucht, warum sie bislang neben humanitären Hilfsgütern nur „nichttödliche“ militärische Ausrüstung an die kurdischen Truppen im Nordirak liefern will, wird die in- und ausländische Kritik an der „Halbherzigkeit“ oder „falschen Zurückhaltung“ Deutschlands weiter zunehmen. Zumal seit nach den USA am Mittwoch auch Frankreich die Lieferung von angriffsfähigen Waffen angekündigt hat.
Tatsächlich sprechen triftige Gründe gegen jegliche Rüstungsexporte in den Irak, insbesondere die Erfahrungen der letzten knapp 50 Jahre. Ab 1978 rüsteten Deutschland, andere Nato-Staaten und die Sowjetunion gemeinsam den laizistischen Diktator Saddam Hussein für seinen Golfkrieg gegen den islamischen Iran auf.
Nach dem 2. Golfkrieg 1991 wurden bis heute miteinander konkurrierende kurdische Gruppen im Nordirak aufgerüstet. Und nach dem 3. Golfkrieg 2003 folgte zunächst die wechselseitige Aufrüstung sunnitischer und schiitischer Milizen durch die US-Besatzer zwecks gegenseitiger Vernichtung als „Terroristen“ und schließlich die Aufrüstung der irakischen Armee.
Aus deren Arsenalen mit US-Waffen bediente sich wiederum die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS), die zudem schon seit ihrem Auftreten im syrischen Bürgerkrieg Finanz- und Militärhilfe von den in Berlin und Washington als Bündnispartner betrachteten Staaten Saudi-Arabien und Katar erhält. Eine wahre Erfolgsgeschichte der Destabilisierung eines Landes und seiner Nachbarregion, der schon Millionen Menschen zum Opfer gefallen sind.
Weder Rüstungsexporte noch US-Luftangriffe werden den IS aufhalten und die von ihm bedrohten Menschen wirksam schützen. Dazu wäre – wenn überhaupt – nur eine von der UNO mandatierte Bodentruppe unter Beteiligung von Soldaten möglichst aller fünf Vetomächte des Sicherheitsrates in der Lage.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
80 Jahre nach der Bombardierung
Neonazidemo läuft durch Dresden
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss