Kommentar Vorratsdatenspeicherung: Kein Grund juristisch aufzurüsten

Jetzt, da überall Polizisten mit Maschinenpistolen Sonderschichten schieben und herrenlose Koffer gesprengt werden, scheint die Zeit für die juristische Aufrüstung des Staates günstig.

Die Debatte ist alt, die Argumente sind ausgetauscht. Neu ist nur die Zeit: Jetzt, da überall Polizisten mit Maschinenpistolen Sonderschichten schieben und herrenlose Koffer gesprengt werden, scheint sie auch für die juristische Aufrüstung des Staates günstig. Dessen Wünsche sind unbescheiden: Ein lückenloses Backup der Telekommunikationsverbindungen aller Bürger, ganz gleich ob "verdächtig" oder nicht, das wollen Innenminister und Polizei. Erst vor acht Monaten hatte das Bundesverfassungsgericht dies gestoppt: Zu lax war das letzte entsprechende Gesetz gestrickt gewesen.

Nun soll ein neues her und Datenschützern werden die Übel der Welt, gegen die man zu Felde ziehen will, um die Ohren gehauen: Kinderpornographie, Schwerstkriminalität, islamistischer Terrorismus: Muss dagegen nicht alles getan werden? Ist der Staat etwa nicht verpflichtet, hier alle Register zu ziehen? Nein. Ist er nicht.

Er muss nicht alles tun, was technisch möglich ist. Er muss es auch nicht deshalb tun, weil es in Einzelfällen wirksam sein kann. Bürgerrechte sind keine Option, die man streichen kann wie überflüssige Ausgaben in Zeiten knapper Kassen. Erlaubt ist nur, was auch verhältnismäßig ist. Die Bundesjustizministerin selbst stellte es erst kürzlich klar: Bei den etwa 4,7 Millionen Ermittlungsverfahren 2009 waren die Verbindungsdaten nur in einem halben Prozent aller Fälle überhaupt von Bedeutung.

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Seit 2006 bei der taz, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2014 im Ressort Reportage und Recherche. Im Ch. Links Verlag erschien von ihm im September 2023 "Endzeit. Die neue Angst vor dem Untergang und der Kampf um unsere Zukunft". 2022 und 2019 gab er den Atlas der Migration der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit heraus. Zuvor schrieb er "Die Bleibenden", eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung, "Diktatoren als Türsteher" (mit Simone Schlindwein) und "Angriff auf Europa" (mit M. Gürgen, P. Hecht. S. am Orde und N. Horaczek); alle erschienen im Ch. Links Verlag. Seit 2018 ist er Autor des Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt. 2020/'21 war er als Stipendiat am Max Planck Institut für Völkerrecht in Heidelberg. Auf Bluesky: chrjkb.bsky.social

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